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"Der Gletscher auf dem Dachstein ist schon verloren"

Von Edmund Brandner   18.Juli 2019

Der schneereiche Winter hat nichts genutzt. Obwohl sich auf dem Dachsteingletscher der Schnee an manchen Stellen acht Meter hoch türmte, wird der Gletscher in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter schmelzen. So wie jedes Jahr seit 1981. Nicht zuletzt auch wegen der tropischen Temperaturen im Juni.

Entscheidende Wochen

Der Gmundner Meteorologe und Gletscherspezialist Klaus Reingruber (Blue Sky Wetteranalysen) misst das "ewige" Eis auf dem Dachstein seit zwölf Jahren. "Die Ausaperung ist heuer ungefähr eine Woche hinter dem Vorjahr", sagt er. Der Vorsprung ist also buchstäblich geschmolzen. "Entscheidend sind jetzt die nächsten vier bis sechs Wochen", sagt Reingruber. "Wenn die Temperaturen ähnlich sind wie im Vorjahr, wird der Gletscher auch heuer wieder um einiges kleiner."

Im Vorjahr verloren die vier Gletscher auf Oberösterreichs höchstem Berg rund vier Millionen Kubikmeter Wasser. In den ganz unten liegenden Gletscherbereichen zog sich das Eis um 30 Meter zurück. Um die Fassade aufrechtzuerhalten, muss der Tourismus längst auf Tricks zurückgreifen. Die Schneedecke über dem Eispalast über der Südwand wurde mit weißem Vlies abgedeckt. Das bremst die Schmelze im Sommer.

Zehn bis zwanzig Jahre geben die Experten dem Dachstein-Gletscher noch, dann ist er Vergangenheit. "Selbst wenn wir das Klimaziel von Paris noch erreichen und die Erderwärmung bei 1,5 Grad stoppen, ist der Gletscher verloren", sagt Österreichs renommierteste Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Der Grund: "Je weiter der Prozess fortschreitet, desto rascher schmilzt das Eis. Felsen, die freigelegt werden, reflektieren das Sonnenlicht nicht und erwärmen sich." Irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werde es in den Alpen keine Gletscher mehr geben.

Prognosen wurden übertroffen

Kromp-Kolb besuchte gestern gemeinsam mit Klaus Reingruber, Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) und weiteren Vertretern aus Politik und Wirtschaft den Gletscher. Seit 19 Jahren lädt Anschober jeden Sommer zu dieser Tour. Für ihn ist das schmelzende Eis ein deutlicher Indikator für den Klimawandel, weil sich die Schmelze nicht als "Wetterkapriole" wegdiskutieren lasse. "Man kann das nicht als Einzelereignis abtun wie Überschwemmungen und Dürren", sagt er. Anschober und Kromp-Kolb fordern deshalb "endlich konkrete Maßnahmen" gegen die Klimakrise. "Die Situation ist inzwischen so ernst, dass wir Wissenschaftler unsere vornehme Zurückhaltung aufgeben müssen", sagt die Forscherin. "Seit 30 Jahren warnen wir die Öffentlichkeit, und heute wissen wir, dass unsere Prognosen sogar übertroffen wurden. Die Erderwärmung schreitet rascher voran als befürchtet. Wenn wir nicht rasch handeln, verlieren wir die Kontrolle. Der Klimaschutz muss das zentrale Anliegen der österreichischen Regierung werden."

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