Dá Nikolaus
1901, also vor 120 Jahren, veröffentlichte der Mundartdichter Franz Hönig ein besonderes Nikolaus-Gedicht. Hönig-Kenner und Mundartdichter Hermann Wurmhöringer hat es für die OÖNachrichten im Buch "Unsá Lándl" gefunden und zur Verfügung gestellt.
Nikolaui is á Zeit,
dö bringt Schrocká und bringt Freud.
Wann á kimmt, dá Nikolo,
sán dö brávn Kiná froh,
denn dö selbign haben schen lachá,
dö kriagn häufti guate Sachá,
Zwötschgn, Kletzn, Nuss und Öpfl,
já mein Freund, da reißt ’s eahn s’ Köpfl,
wann s’ auf’s Tálá schaun auf d’Nacht,
was dá Nikolo alls bracht.
Aber für dö besn Fratzn,
dö oftmächti kriagn án Patzn,
in dá Schul, weil s’ öftá lüagn,
odá schlechte Notn kriagn,
und für dö dö lehrn, dö Guatn,
nixö nutzn, bringt á d’Ruatn.
Wann ’s noh Tag is, bei dá Liachtn,
da schrein d’ Buamá: "Nur nöt fürchtn,
wann á kimmt dá Nikolo
fahrn má halt ganz oanfach a,
na, was kann uns nachá gschehng?
Soll nur kemmá, wern ’s schon sehgn."
Abár wird ’s dann spötá Nacht,
Was werd da für Gsichtá gmacht,
wia siagst so án Buabn, án köckn,
glei bei jedn G’räusch dáschröckn.
Und so sitzn s’ umádum,
mäuserlhoamli in dá Stubn, völli änglsti, anstatt muntá,
etlá kloane Dirndl druntá,
und dá altn Kostfrau drentn
ihre drei, vier kloan’ Studentn.
"Jessás ná, i han was ghert!",
schreit auf oanmal oans und plert,
und wia wann ’s dá Blitz hätt troffn,
haben si allsamt glei váschloffn.
Untán Bänkán, untán Tischn,
dáss ás ja nöt kan dáwischn.
Weil má abár lang nix hert,
nur wia hi und da oans rehrt,
siácht má wo oan’ vüra zahná,
moant á nöt: "Es wárts má Manná!"
’s war á recht á kuraschiertá,
der si hintán Kittlfürtá,
seiná Muadá in dár Eil
hat á weng vástöckt dáweil.
Und den oan’ also wia den anern
Siacht má wiedá vürá wandern,
In án iadn Gsicht kannst lesn,
"Guat is’s gangá, nix is’s gwesn."
Kám is’s abár wiedá still,
gibt’s a fürchtálichs Gebrüll.
Vor dá Haustür, auf dá Straßn,
wia wann s’ d’Teufln los hättn lassn,
Gáng dö ganze Welt auf Scherbn
Gáb ’s ám End koan’ greßán Lärm,
Und dös Schewán mit dö Kettn,
d’ Haar stehn scho ge’ Berg án jedn,
D’Tür springt auf und in dá Mittn,
rechts und links á paar Levitn,
steht dá Nikolo in Zimmá
und koa Mauserl rührt sie nimmá.
Dös wár freili noh nix gwösen,
abár d‘ Krampus mit dö Bößn,
dö in Zimmá umáteufeln,
bringn dö Kloan schier zum Vázweifln
Jessás und iazt d’ Habágoaß,
dö vásteht erst gar koan Gspoaß.
Alle Augenblick kriagt s’ án Blangá
zan in Zöga eini z’fangá.
Endli fragt dá Nikolo:
"Koani besn Kiná da?"
"Ja, dá Xáverl", sagt aft d’Muadá,
"und dá Jagl, á koa Guatá,
haben nöt g’folgt dös ganze Jahr,
fangán sö’s nur mit, dö zwoa!"
"Guat", sagt Nikolo ganz gránti,
"kemmts nur dauná, á lá wánti,
Krampus, táts eure Pflicht
und verschonts dö Lumpen nicht,
denn es muß auf dieser Erdn,
wás nicht folgt, bestráfet werden!"
D’Habágoaß, dö schreit schau grimmi: "Warts, ös Lumpn, enk zwoa kimm i!"
Und dö Krámpus voll Válangá
wölln’s schau richti dauná fangá.
Bua, iazt fangán’s an zán Bittn,
packán d’Muadá glei um d’Mittn,
"Bitt ihná, Herr Nikolo,
Krampus, bitt enk, laßts uns da!"
"Gut, ich werd euch etwás ságn",
sagt dá Nikolo, "zwei Frágn
werde ich euch auferlegen.
Wißt ihr es, dann meinetwegen
sei die Stráfe euch geschenkt.
Doch, wenn nicht, dann werd’s ihr tränkt,
in den großen Wassákrandá,
alle beide miteinandá.
Sagt mir, wer gibt in der Not
jedem Armen auch sein Brot,
und wer, wann ihr schlaft bei Nacht,
auf der ganzen Erde wacht?"
"Heilige Máriá Táferl",
denkt si hoamli iazt dá Xáverl,
"Bruadá, dös is abár leicht",
und aft sagt ár in án Eicht:
"Der, der allmal bei dá Nacht,
wann dö anern schlafán, wacht
und den Armá oft án Wöcká
göbn tuat, das is unsá Böcká."
"Seit wánn is denn", schreit vor Zorn,
"Unsá Herrgott Böcká worn",
dann dá Nikolo, "du Kerl!
Krampus fangts’n bei dö Öhrl!"
Und dá Xáverl, wiar á Narr,
flehnt und schreit: "Ös is ja wahr!"
Moant á nu, er hätt’s dáratn,
Bua iazt hat’s eahm aber gratn,
für den Einfall für den guatn,
kriagt ár’s grimmi mit dá Ruatn,
wird dá Habágoaß, dá langá,
hint in Zögá einigfangá.
"Und dö zweite von dö Fragn,
Jagl, dö wirst du mir sagn",
sagt dá Nikolo, "drum schleuni,
sag má d’Hälfti iazt von neuni!"
"Da", sagt aft dárnach dá Jagl,
"bin i ganz in Wiglwagl",
schaut’n Nikolo aft an,
"Teuxl", denkt á, "hat mi schaun,
fünf sán z’viel, und wann i denk,
wern má vieri wiedá z’weng."
"Ja, i bitt, wanns nixö macht,
zwoamal vieri wár halt acht,
und den neuntn, wögn án zweitn,
tát i halt dáweil auf d’Seitn."
"Guat", sagt Nikolo, "gib acht,
wia ma so á Rechnung macht",
tuat dá Habágoaß dann deutn:
"Siagst, da drinát hast den zweitn,
mársch mit dir in Zögá eini,
wart, i lern dá zöhln bis neuni."
Und dö Krámpus vollá Gschwindn
packánd’n glei vorn und hintn,
und zum Xáverl zu den anern,
muaß á hiatzt einiwandern.
Und dös ganze Schrein und Woan,
vo dö Kiná, vo dö kloan,
nutzt nix, denn dá Nikolo
der is halt wögn den schau da.
Doh, auf oanmal sagt á freundli:
"Kinderchen, ös denkts warscheinli,
dáß i nettá wögn dö Besn
bin heut dágewesn?
Jedoch für die bráven, Frommen
bin ich auch gekommen.
Viele schöne süße Gáben
soll, wer bráv is, heute háben.
Böses kann ich nicht verschonen,
will dás Gute nur belohnen.
Jetzt seids bráv und legts enk nieder!
Krámpus und i, geh’ má wieder!"
"Bitt di, bitt di", sagt á Kloaná
und fangt recht an zum Woaná,
"bitt di schen, Herr Nikolo,
lass uns dert’n Xáverl da!"
Und dö anern voll Dábarmá,
bittn áh glei für den armá
Jagerl, daß án nöt soll tränká,
soll eahms noh für dösmal schenká.
Und dá Nikolo voll Güatn,
sagt dárnach: "I will án niadn
d’Straf für dösmal wiedá schenká,
abár geschehgn tuat’s nur wögn enká."
Is iatzt dös á Freudengschroa,
dableiben derfn alle zwoa,
Nikolo hat eahn’s vásprochá.
Richti sán’s aft außá krochá,
aus dá Habágoas ihrn Kübl,
Xáverl auf und auf oan Dübl,
und dá Jagerl moant: "Da hab i
umádum sö Flöck, so blabi,
Bruadá, ös wár völli gscheidá,
wárn dö Kuntn wiedá weidá."
Und wia’s wiedá fort san gangá,
wia’s schau draußt warn auf dá Straßn,
is schau alles voll Válangá,
was ár eahn denn hintálaßn,
und án iads wár gern dös schnellá,
wei’s aft hinschaun auf eahn Tellá
jessás, is da dös á Freud.
So viel Sachá, wárst nöt gscheidt.
Ebert für’n Jagerl und für’n Xáverl:
Is á Ruatn, mit án Táferl.
Drobn steh’ tuat: "Geht’s nöt mit Guatn,
hilft sunst nix als wiar á Ruatn."
"Is schau recht, ná dös is gscheidt",
moant dá Jagl vollá Schneid.
"Bua, iatzt solln’s már einá kemmá,
nachá wiar i d’Ruatn nehmá.
Wird’s schau segn, was nachá gschiacht,
moants leicht gar, i han má gfürcht?"
Schlög kriagn’s! Und hat ganz vázagt,
dä Muadá hint beim Kittl packt.
Dialektwörter
Tálá: Teller
Patzn: schlechte Note
Levitn: im übertragenen Sinn „Gefährten“. Von Levi, einem biblischen Stammvater, seine Nachfahren waren die Leviten.
Habágoaß:
1. Brauchtumsfigur – kommt mit dem Krampus und dem Nikolaus
2. Ziegenbock
3. Gebäck, das die Form eines Ziegenbocks hat
4. Spottname für einen Schneider
In manchen Regionen kommt die „Habágoaß“ als gebückt gehende Schreckgestalt gemeinsam mit dem Nikolaus und dem Krampus zu den Kindern – mit Teufelsmaske und Bocksfuß.
á lá wánti: schnell
blábi: blaue
Der gebürtige Reinbacher (Mühlviertel) Helmut Wurmhöringer ist Mundartdichter und lebt in Antiesenhofen (Innviertel).
Seine Bücher: „Aufgabelt“ und „Vo allem a weng ebbs“