Brot und Not
In Wien wird täglich so viel Brot vernichtet, dass damit ganz Graz versorgt werden könnte.
Wir leben im Brotüberfluss. Die Brotregale in den Bäckerläden und Supermärkten sind übervoll. Doch jedes fünfte Gebäck landet im Hausmüll, schätzen die Marktforscher. Die Vergeudung ist zwar kein spezifisches Brotproblem, sondern betrifft alle Lebensmittel. 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden nach Schätzung der Welternährungsorganisation FAO weltweit jedes Jahr vergeudet oder verderben. Das wäre fast ein Drittel aller produzierten Nahrungsmittel.
In Österreich fallen laut einer aktuellen Studie des Ökologie-Instituts (Juli 2017) entlang der Wertschöpfungskette jährlich rund 577.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle an. Den Schwerpunkt bilden die privaten Haushalte. Auf sie entfallen jährlich 206.000 Tonnen der gesamten vermeidbaren Lebensmittelabfälle – gefolgt von den Bereichen Gastronomie und Lebensmittelproduktion. Problemkind Nummer eins dabei ist das Brot. Kein anderes Produkt wird in so großen Mengen weggeworfen. In Wien wird täglich so viel Brot vernichtet, dass damit ganz Graz versorgt werden könnte.
Brot gilt als das älteste Fertiggericht der Menschheit. Es konnte auch für sehr lange Zeit aufbewahrt werden, auch wenn es dann steinhart wurde und mit dem Hammer zerschlagen werden musste. In Suppe aufgeweicht wurde es wieder bekömmlich. Brot wurde früher in den Bauernhaushalten nicht täglich, sondern in großen zeitlichen Intervallen gebacken. Der Vorrat musste für Wochen und Monate reichen. Wenn Brot gebacken wurde, so wurde es keineswegs frisch gegessen, um nicht zu viel davon zu verbrauchen: "Mühlwarm und ofenwarm macht den größten Bauern arm", hieß es im Sprichwort. Geizige Bauern waren dafür verschrien, ihren Dienstboten möglichst altes und hartes Brot vorzusetzen, weil man davon nicht so viel zu essen vermag.
1945 war eine Schnitte Brot in Österreich ein nobles Geschenk. "Ich kann euch nichts geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden", sagte der damalige österreichische Bundeskanzler Leopold Figl in seiner berühmten Rede zur ersten Nachkriegsweihnacht.
Die Brosamen nicht zu "verunehren", war ein strenges Gebot. Das tägliche Brot bestimmte das Alltagsdenken und Alltagshandeln. Brot und Freiheit wachsen auf einem Halm, heißt es im Sprichwort. Kriegen wir heut gar nichts als Brot?" fragen die Kinder der Familie Schlucker in Johann N. Nestroys "Zu ebener Erde und erster Stock". Schlucker antwortet: "So lang’ wir das noch haben, dankt’s Gott!" Auch außerhalb der Kriegs- und Notzeiten war genug Brot ein Zeichen des Wohlstands. Brot haben oder nicht haben, das ist es, was Geschichte machte. Sein Brot zu verdienen, meint auch heute noch, sich das Leben zu verdienen.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
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Oida Hut, das war vor Jaaaahren schon Thema (im FS und Print)! Und? Ändern tut sich nichts! 😡 Ganz im Gegenteil, der nächste Backshop macht auf und bringt den letzten Bäcker um, "weilst bei dem ja nach 16 Uhr nix mehr Frisches kriegst! " Der Konsument ist ein "Vieh" (verzeiht mir den Ausdruck), das sich von der Wirtschaft und Werbung vor sich hertreiben lässt! ☹️
Der untere Text stammt nicht von mir, da muss dem Computer was durcheinandergekommen sein!
Ja. Ist verrückt. Da sind wir selber schuld dran. Denn lieber Überproduktion, als den Konsumenten vergraulen, dass er statt einer Semmel ein Brot nehmen muss.
Zum zweiten werden viele Arbeitsplätze entfallen, wenn nur mehr produziert wird was benötigt wird.
Und zum dritten wird der Preis steigen, da die Ware begrenzt ist.
Wer hat das geschrieben? Ist nicht von mir!
No wo anders eingeloggt...?
Ist die Vernichtung nicht Teil der - so genannten - freien Marktwirtschaft? Und diese ist ein Dogma.
Es soll schließlich niemals und nirgendwo einen Mangel geben. Alles soll immer günstig sein. Und es muss ewiges Wachstum geben. Das funktioniert nur mit ständiger Überproduktion im industriellen Maßstab. Dabei bleibt viel übrig, das vernichtet werden muss, um den stetig wachsenden Nachschub nicht zum Erliegen zu bringen.