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Arzt soll mehr als 100 Buben missbraucht haben - Teilgeständnis

Von nachrichten.at/kaltenreiner, 26. Mai 2020, 13:06 Uhr

WELS. Pünktlich um 9 Uhr ist am Landesgericht Wels jener Mediziner aus dem Salzkammergut in den Schwurgerichtssaal geführt worden, der 109 Buben sexuell missbraucht haben soll. Ein Urteil wird es voraussichtlich in zwei Wochen geben.

Pünktlich um 9 Uhr wird der Angeklagte von zwei Justizwachebeamten in den Schwurgerichtssaal geführt. Sein Gesicht ist nicht von einer Maske bedeckt, er trägt stattdessen ein Schutzvisier.

Die Fernsehkameras und Fotoapparate lösen keinerlei Regung bei dem groß gewachsenen, schlanken Mann mit dem weißen Haar aus. Kurz bespricht er sich noch mit zwei seiner drei Verteidiger. Dann betreten auch Richterin Christina Steininger-Höller und die sechs Geschworenen den Saal.

Die Vorsitzende bedankt sich bei den Opfern. Weil viele von ihnen daheimgeblieben sind, könne der Prozess trotz Hygienevorschriften stattfinden. Einige wenige sind gekommen, sie verfolgen die Verhandlung per Videoübertragung von einem anderen Saal aus. Während der Verhandlung werden die Opfer von zwölf Anwälten vertreten. Für sie stehen Tische im Raum verteilt. In der letzten Reihe sitzen Journalisten – zumindest bis zum Ausschluss der Öffentlichkeit gut eine Stunde später.

„Sie können die Masken jetzt abnehmen“, sagt Steininger-Höller. Die persönlichen Daten des Arztes werden verlesen. Der Mittfünfziger sei ledig, habe zuletzt 1000 Euro netto verdient. „Ich war nicht besonders motiviert und habe beruflich ans Aussteigen gedacht“, sagt der Mediziner. Am 29. Jänner 2019 ist es beruflich wirklich vorbei. Der Urologe wird von der Polizei festgenommen. Seither befasst sich auch Staatsanwalt Manfred Holzinger mit den Akten, die im Lauf der Zeit immer dicker wurden.

Die Mutter eines der Buben hat sich im Februar 2019 an die OÖN gewandt, die als Erste über den Fall berichteten. Sie habe schwer damit zu kämpfen gehabt, dass sie nie etwas bemerkt habe. Wie ihr erging es vielen anderen Eltern. Während der monatelangen Ermittlungen sind immer mehr Buben ausgeforscht worden. Am Ende waren es 109 mutmaßliche Opfer, die der Mediziner sexuell missbraucht haben soll.

40 Opfer unter 14 Jahren

15 Minuten und 29 Sekunden. So lange dauern die Ausführungen von Staatsanwalt Manfred Holzinger. „Das ist alles wirklich nur kurz zusammengefasst.“ Mit einer Powerpoint-Präsentation verdeutlicht er die zehn Deliktsgruppen, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden. Er zeigt auch, dass 40 der Opfer noch nicht einmal 14 Jahre alt waren. Da ist der Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen mit gesundheitlichen Folgen. Vor zehn Jahren soll der Angeklagte einen Neun- bis Zehnjährigen missbraucht haben. Da sind auch ein Sieben- und ein Achtjähriger sowie zwei 13-Jährige, die er schwer sexuell missbraucht haben soll. Drei der Buben haben laut einem Gutachten gesundheitliche Folgen von den Übergriffen davongetragen.

Weitere Delikte sind Masturbationshandlungen, der Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, die pornographische Darstellung Minderjähriger und auch der Besitz und die Weitergabe von Drogen an teilweise Minderjährige.

2010 hat der Arzt, der bis dahin in Krankenhäusern tätig war, eine Ordination im Salzkammergut eröffnet. Damit sollen auch die Übergriffe begonnen haben. „Die Opfer kamen in die Ordination, weil sie urologische Probleme oder einen Kontrolltermin hatten. Die Elternteile waren bei der Besprechung dabei, zur Untersuchung hat er sie rausgebeten“, schildert Holzinger. Den Buben habe er erklärt, dass seine „Untersuchungen“ im Anal- und Genitalbereich „medizinisch notwendig“ seien. Ein medizinischer Sachverständiger hielt fest, dass diese Untersuchungsmethoden nicht medizinisch indiziert gewesen seien. Auch im Haus des Arztes habe es Übergriffe gegeben.

Der Staatsanwalt skizziert zudem, wie es den Opfern dabei ergangen ist: „Es war sehr unangenehm, beschämend, eine seltsame Behandlung, extrem peinlich, ich habe mich ausgeliefert gefühlt – so ihre Aussagen.“ Der Arzt sei auch immer locker gewesen und hätte eine „ordinäre Sprache“ gehabt. Die zwölf Opferanwälte berichten, dass viele der Buben immer noch psychologische Hilfe benötigen. Sie hätten das Urvertrauen zum Arzt verloren und seien wütend, berichtet eine Rechtsvertreterin.

„Zu 90 Prozent geständig“

„Mein Mandant ist zu 90 Prozent der Taten geständig“, sagt sein Anwalt. Allerdings nicht bei den Vorwürfen des schweren Missbrauchs, der mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden kann. Sein Mandant habe weder Zwang noch Gewalt ausgeübt, und Sex mit Kindern habe es nicht gegeben.

„Ich habe im Rahmen der sexuellen Aufklärung Übergriffe auf pubertierende Burschen begangen“, räumt der Angeklagte vor Gericht ein. „Ich bin aber nicht der Mensch, der in den Medien und hier beschrieben wird.“ Er wolle dem Gericht alles genau schildern. Allerdings geschieht dies am Dienstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Arzt sah sich als „Aufklärer“

Sein Anwalt spricht von einer „Grenzüberschreitung“. Der Arzt habe sich als „Aufklärungscoach“ für Jugendliche gesehen, dabei sei es zu Masturbationshandlungen gekommen. Der Verteidiger betont, dass der Angeklagte keinesfalls pädophil sei. Staatsanwalt Manfred Holzinger beantragt dagegen eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Denn ein Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass die Pädophilie des Arztes so stark sei, dass er sich neuerlich an Kindern vergreifen könnte. Es sollen vier weitere Verhandlungstage folgen, an denen auch die Videos von den Befragungen der Missbrauchsopfer vorgespielt werden. Dies alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die erst bei der geplanten Urteilsverkündung am 10. Juni wieder in den Gerichtssaal darf.

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