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Zynische Bescheide: Asylamt rät zu Ehe "via Skype"

Von Philipp Hirsch und Robert Stammler   06.Oktober 2018

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) entscheidet über Schicksale. Werden Flüchtlinge in ihrer Heimat tatsächlich bedroht oder werden sie zurückgeschickt? Das Amt argumentierte in jüngster Vergangenheit in seinen Bescheiden oft befremdlich. Ein Beispiel: Einem 18-jährigen homosexuellen Afghanen beschied der Sachbearbeiter, dass "weder Gang, Gehabe oder Bekleidung" auf "Schwulsein" schließen lassen würden. Der Mitarbeiter wurde versetzt. Das Amt bedauerte nach einem medialen Aufschrei "die sprachlichen Verfehlungen".

Nun soll ein junger Iraker abgeschoben werden, der er im April eine Österreicherin geheiratet hat.

Mohammed A. (24) hatte im Irak eine Karriere als Leichtathlet vor sich. Die 100 Meter schafft er in 10,2 Sekunden. Kein anderer Läufer in seiner Heimatstadt Falluja war schneller als er. Er glaubte, eine strahlende Zukunft vor sich zu haben. Doch dann kamen die Milizen.

Sie wollten A. anwerben, er lehnte ab und wurde fortan bedroht. Bei einem Schusswechsel in Bagdad kam wenig später sein bester Freund ums Leben. Dessen Eltern gaben A. die Schuld am Tod ihres Sohnes. Sie wollen, sagt A., Blutrache. Wenig später entschied sich A. auf Drängen seines Vaters, den Irak zu verlassen. Für A. steht fest: "Sollte ich zurückkehren, werden sie mich töten."

Nach Monaten der Flucht erreichte er Österreich und suchte um Asyl an. Ein vom Roten Kreuz errichtetes Notquartier im Postverteilzentrum in Linz war sein erstes Zuhause. Dort lernte er Sabine K. (Name geändert) kennen.

Sie war als freiwillige Helferin gekommen, lernte gemeinsam mit den Flüchtlingen Deutsch, damit diese sich zumindest ein wenig verständigen konnten: "Mohammed konnte kein Englisch, also haben wir uns am Anfang mit Online-Übersetzungsmaschinen unterhalten." Die beiden kamen sich in den Monaten danach näher und verliebten sich ineinander. Am 21. April heirateten die beiden standesamtlich in St. Marien.

Das junge Ehepaar war sich sicher, dass A., der inzwischen eine Lehrstelle als Koch angenommen hatte, in Österreich bleiben darf. Der negative Bescheid machte diese Träume zunichte. Das Amt glaubt nicht, dass A. im Irak in Gefahr wäre. Außerdem erwarte ihn in seiner alten Heimat aus Sicht des Amtes eine gesicherte Zukunft. "Ihre in Österreich erworbenen Kenntnisse während Ihrer Ausbildung zum Koch können Ihnen ebenfalls von Nutzen sein", schreibt der Sachbearbeiter.

Eingriff ins Familienleben

Auch die Ehe ist für das Amt kein Grund, Bleiberecht zu gewähren. Die Begründung: "Ihnen musste klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages (...) nur ein vorübergehender ist". Laut Menschenrechtskonvention ist ein solcher Eingriff ins Familienleben nur zulässig wenn: "dieser für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, (...) oder zum Schutz der Rechte anderer notwendig ist." Für das Amt sind diese Umstände offenbar erfüllt: "Die Abschiebung in den Irak ist zulässig".

Das Amt hat auch Ratschläge parat, wie das junge Ehepaar seine Liebesbeziehung nach der Abschiebung aufrecht erhalten kann: "Ihr Interesse an der Aufrechterhaltung Ihrer eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin kann trotz Ihrer Rückkehr in den Irak auf verschiedenen Weisen (sic), z.B. via Skype, Kurzurlaube gepflegt werden."

A. bliebe nun noch der Weg, eine Familienzusammenführung zu beantragen. Aber auch hier gibt es rechtliche Probleme. Ein solcher Antrag müsste schon im Herkunftsland gestellt werden, erklärt der auf Asylrecht spezialisierte Linzer Anwalt Helmut Blum. Unter seinen Klienten findet sich ein ähnlicher Fall. Derzeit ist die Beschwerde gegen den Negativbescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig. Sollten die Richter die Asyl-Entscheidung nicht revidieren, will sich Blum an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Auch im Fall von Sabine K. und Mohammed A. wird derzeit der Einspruch vor dem BVwG vorbereitet. Solange dieses Verfahren läuft, darf A. noch in Österreich bleiben.

 

Höchstgericht

33.000 Verfahren im Bereich Asyl sind derzeit (Stichtag 31. 7. 2018) am Bundesverwaltungsgericht(BVwG) anhängig. 42 Prozent der Bescheide, die beim BVwG beeinsprucht werden, werden von den Richtern aufgehoben oder in Teilen abgeändert. Das Gericht kommt mit der Masse an Einsprüchen (alleine im Jahr 2017 waren es 30.600 Beschwerden), die es bearbeiten soll, nicht hinterher.

Rund 75 Prozent aller negativen Asylbescheide werden von den Betroffenen beim BVwG beeinsprucht. „1000 Rechtssachen mehr, als abgeschlossen werden können, langen derzeit pro Monat beim Gericht ein“, schreibt BVwG-Richter und Gewerkschafter Hermann Leitner an die OÖN. Eine Entspannung sei nicht zu erwarten.

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