Zugriff! Die Polizei zeigt, was sie kann

Von Von Philipp Hirsch   24.April 2017

Einsätze wie diesen wird es in der Realität in Oberösterreich hoffentlich niemals geben: Terroristen haben sich im ersten Stock eines Mehrparteienhauses verschanzt. Das Erdgeschoss ist mit Sprengfallen vermint. Mit Sturmwägen, sogenannten Mars-Fahrzeugen, die ursprünglich für die Erstürmung entführter Flugzeuge entwickelt wurden, preschen die Männer der Spezialeinheit Cobra auf die Fassade zu. Ein Polizeihubschrauber kommt im Tiefflug und positioniert sich über dem Gebäude. Ein Schütze sitzt außen am Hubschrauber, um seinen Kollegen am Boden zusätzlich Deckung zu geben. Dann geht alles ganz schnell. Fensterglas zersplittert. Blendgranaten knallen. Mit dem Sturmgewehr im Anschlag stürmen die Polizisten über die hochgefahrenen Metallrampen in das Gebäude. Sie setzen auf das Überraschungsmoment. Gegner sollen kampfunfähig gemacht werden, ehe sie einen Schuss abgeben können. Hunderte Stunden haben die Beamten gemeinsam trainiert bis der komplexe Ablauf wie im Schlaf funktioniert. Hier sitzt jeder Handgriff. Die Polizisten verstehen einander blind. Ein Blick oder ein Nicken genügt, damit jeder weiß, was zu tun ist. Ein martialisches Ballett. 

„Wollen unsere Leute fordern“

Die Übungen, die heute in der Kaserne Ebelsberg gezeigt wurden, waren auf die Wünsche der Journalisten zugeschnitten. Die Polizei zeigte binnen weniger Minuten ihre ganze Schlagkraft. Die Aufführung in Ebelsberg war der Auftakt zu größten Anti-Terrorübung, die es in Oberösterreich jemals gab. Noch bis in die Nachtstunden werden Polizei, Bundesheer, Feuerwehr und Rettungsorganisation im oberösterreichischen Zentralraum den koordinierten Kampf gegen den Terror proben. „Wir wollen unsere Leute mit dieser Übung fordern. Es soll nicht einfach sein“, sagt Landespolizeidirektor Andreas Pilsl.

Für die Cobra-Beamten gibt es heute kaum eine Pause. Bereits nach wenigen Minuten beginnt die nächste Übung. Eine Familie muss evakuiert werden. Nur die Leitern der Linzer Berufsfeuerwehr sind lang genug, um die Eingeschlossenen zu erreichen. Vier schwerbewaffnete Polizisten sind hinter dem Löschzug in Deckung gegangen und sichern den Bereich. Die Drehleiter wird ausgefahren. Zwei Männer der Spezialeinheit stehen gemeinsam mit einem Feuerwehrmann im Korb. Wieder muss alles schnell gehen. Die Zivilisten werden mit der Drehleiter heruntergelassen, während die Cobra-Männer schussbereit auf den Fensterbänken hocken, um potentielle Angreifer auszuschalten.

Panzerwagen als Rettung

Nachdem die Familie in Sicherheit ist, müssen Verletzte geborgen werden. Hier kommt die neueste Anschaffung der Cobra zum Einsatz. Der Panzerwagen „Survivor“ soll im Ernstfall vor allem das Leben der Beamten schützen. Heute dient er als Rettungsfahrzeug. Eine junge Frau mit einem erschreckend echt geschminkten Durchschuss im Oberschenkel wird auf einer Bahre in den Panzerwagen verladen. Eine Häuserecke weiter warten Sanitäter des Roten Kreuzes und des Samariterbundes auf die Verletzten. Die Leichtverletzten müssen sich zu Fuß in Sicherheit bringen. Mehrere Cobra-Beamte bilden eine Schutzformation rund um die humpelnden Darsteller, während sich die Kolonne der Verletzten im Gänsemarsch langsam zu den Sanitätern bewegt, sichern die Polizisten sie in alle Richtungen ab.

Innenminister Wolfgang Sobotka (VP) und Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) zeigten sich als Zuschauer bei der Übung von den Leistungen beeindruckt. Stelzer: „Es ist unsere Aufgabe der Polizei alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um der Bevölkerung den bestmöglichen Schutz zu bieten. Unsere Botschaft ist klar: Die Polizei ist vorbereitet und einsatzbereit.“ Der Innenminister malte auf der anschließenden Pressekonferenz ein dunkles Bild: „Der nächste Anschlag wird definitiv kommen, wir wissen nur noch nicht wo und wann.“

Bis in die Nachtstunden wird die großangelegte Übung im gesamten oberösterreichischen Zentralraum andauern. Informationen über den genauen Ablauf der Anti-Terrorübung hütet die Landespolizeidirektion wie ein Staatsgeheimnis. Nur eine handvoll Offiziere wissen, was passieren wird. „Die Zivilbevölkerung soll möglichst wenig davon mitbekommen“, sagt Polizeidirektor Pilsl.  

Frühestens in der kommenden Woche will die oberösterreichische Polizei die Ergebnisse der Übung der Öffentlichkeit kommunizieren: „Zu verbergen haben wir definitiv nichts“, sagt Pilsl: „Falls es etwas zu verbessern gibt, haben wir keine Scheu das sofort anzugehen.“