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"Wo ist das Jesuskind?"

23. Dezember 2017, 00:04 Uhr
"Wo ist das Jesuskind?"
Das Jesuskind-Wachsfigürchen in der weltberühmten Wallfahrtskirche in Christkindl bei Steyr. Bild: Weihbold

Weihnachtsgedanken von Bischof Manfred Scheuer.

Haben Sie schon einmal die Wallfahrtskirche in Christkindl bei Steyr besucht? Im Zentrum dieser Kirche, vorne beim Hochaltar, befindet sich das namensgebende, nur wenige Zentimeter große Jesuskind-Wachsfigürchen, eingebettet in einen wunderschönen barocken Hochaltar. Diese Kirche ist weltberühmt. Unlängst hat mir Elisabeth Kamptner, die Pfarrassistentin von Christkindl, folgende Begebenheit erzählt: Eine Reisegruppe italienischer Touristinnen, gesegnet mit ausreichend südländischem Temperament, war in die Kirche gestürmt, hektisch suchend und laut fragend: "Dov’è il bambino Gesù?" – "Wo ist das Jesuskind?" Als die Seelsorgerin ihnen das Jesuskind zeigte, waren sie enttäuscht: "Was – nur so klein?"

Betonung der heilen Welt

Wo ist das Jesuskind? Wo entdecken wir Jesus zu Weihnachten? Für die meisten Menschen ist Weihnachten ein Fest der Familie. Um keine andere Zeit im Jahr ranken sich so viele Familientraditionen und liebgewordene Rituale. Viele sprechen von der weihnachtlichen Stimmung in der "staden Zeit". Sie kann sich in Gerüchen, Dekorationen, in Liedern und Gewohnheiten ausdrücken. Weihnachten erzeugt bei vielen ein positives Grundgefühl. Es gibt aber auch jene, für die zu Weihnachten Einsamkeit hochkommt: Das erste Weihnachtsfest nach dem Tod eines lieben Menschen oder eine zerbrochene Familienidylle. Manche können mit der Betonung der heilen Welt nicht umgehen. Als ich am Heiligen Abend im vergangenen Jahr die Wärmestube der Caritas besucht habe, hat mir einer, der nach der Trennung von seiner Frau ohne Arbeit ist und den auch die beiden Kinder nicht besuchen, gesagt: "Liest du uns heute das Weihnachtsevangelium vor?" Das war aber eher abwehrend gesagt. Denn: "Ich versuche Weihnachten so fern wie möglich zu halten. Sonst kommt die Melancholie zu stark hoch!" Weihnachten lässt keinen kalt. Denn Weihnachten ist nicht die Zeit für Egoisten, es ist das Fest der Beziehungen. Freundschaften werden durch Weihnachtspost gepflegt, Betriebe bedanken sich bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Weihnachtsfeiern. Benefizaktionen mahnen unsere Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft für Menschen ein, die schwere Schicksale zu bewältigen haben. Und unter Zuhilfenahme von Geschenken teilen wir lieben Menschen unsere Zuneigung mit. Warum geschieht das ausgerechnet zu Weihnachten? Wo ist da das Jesuskind? Manchmal erliegen wir in der Kirche der Versuchung, zu beklagen, dass der Grund für das Weihnachtsfest – die Geburt Jesu – doch allzu sehr in den Hintergrund geraten sei. Doch aus einem einfachen Grund möchte ich in diese Klage nicht einstimmen. Ich bin nämlich überzeugt, dass die Botschaft von Weihnachten durch all die Glitzerwelt durchscheint und Beachtung findet.

Türöffner zum Glauben

Die Weihnachtsgottesdienste sind die bestbesuchten Gottesdienste des Jahres. Es werden Krippen aufgestellt, die Bibel wird am Heiligen Abend aufgeschlagen, den Kindern wird vom Christkind erzählt. Ich glaube nicht, dass diese Symbole und Handlungen reine Folklore sind – sie sind womöglich einzigartige Türöffner, um einen Blick auf den eigenen Glauben zu werfen.

Und ich glaube auch, die Menschen, die das Weihnachtsfest zum Fest der Beziehungen werden lassen, haben intuitiv begriffen, worum es zu Weihnachten geht: um die geglückte Beziehung. Gott wird Mensch in Jesus von Nazareth. Er hat sich auf die Ebene des Menschen eingelassen. Gott ist kein unendlich ferner Weltenherrscher, der am Schicksal der Menschheit keinen Anteil nimmt. Er tritt mit uns in Beziehung. Diese Unmittelbarkeit und Angreifbarkeit Gottes ist für unseren Glauben wesentlich. Und sie macht deutlich: Beziehung ist etwas Heiliges.

Die Faszination von Weihnachten und der Geburtsgeschichte Jesu beschäftigt nicht nur Christen. So gibt es beispielsweise vom Lyriker und Atheisten Bertolt Brecht ein Weihnachtsgedicht, in dem er nüchtern und schonungslos die bitterarmen Umstände der Geburt Jesu aus Sicht Marias schildert. Über den Verszeilen schwebt beständig die Frage: Warum konnten diese armseligen Geburtsumstände eine derart glorifizierende Bedeutung und Wirkgeschichte entwickeln? Brecht selbst beantwortet diese Frage in seinen Schlussversen folgendermaßen:

 

"Alles dies Kam vom Gesicht ihres Sohnes, der leicht war Gesang liebte Arme zu sich lud Und die Gewohnheit hatte, unter Königen zu leben Und einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit" *

 

Brecht war nicht gläubig, insofern interessierten ihn die Ausfaltungen der Weihnachtsgeschichte nicht, wie wir sie aus der Bibel kennen. Aber er sah, dass unter dem Eindruck von Jesu Wirken, seinem Tod und seiner Auferstehung die Menschen begannen, der Geburt Jesu fundamentale Bedeutung beizumessen. Wer war also dieser Jesus? Er liebte Gesang, lud Arme zu sich und hatte die Gewohnheit, unter Königen zu leben, so der Dichter. Brecht wusste, dass Jesus mit Menschen verkehrte, die nicht zur gern gesehenen Elite gehörten: Fischer, Tagelöhner, kleine Angestellte, Zöllner. Ihm fiel aber auch auf, dass Jesus sie bevorzugt behandelte, ihnen Großes zutraute. Jesus vermittelte den Menschen in seinen Reden und Taten das Gefühl, privilegiert und von Gott geliebt zu sein. Jesus behandelte sie wie Könige. Und Jesus hatte die Gewohnheit, einen Stern über sich zu sehen, heißt es im Gedicht. Er war offen dafür, im Alltäglichen und im Unscheinbaren das Besondere zu entdecken. So verkörpert Jesus die Haltung der unbedingten Achtung vor dem Menschen: Vor Gott gibt es nur Könige, die menschliche Würde ist unantastbar.

Wenn wir also zu Weihnachten die Geburt Gottes in Jesus feiern, dann feiern wir diese Wertschätzung des Menschen mit. Dann feiern wir all das mit, was Gott uns durch Jesus mitgeteilt hat. Im Leben Jesu lüftet sich Gottes Geheimnis, mit Jesu Händen berührt Gott die Welt, im Kind aus Bethlehem und dem Mann aus Nazareth wird Gottes Wille fassbar. Für uns Christen resultiert daraus eine hohe soziale Verantwortung. Wir müssen uns sorgen um eine Gesellschaft, die ein friedliches Zusammenleben fördert, die gastfreundlich ist und Ausgrenzungen vermeidet.

Die Größe im Kleinen

Die Frage "Wo ist das Jesuskind?" ist gleichbedeutend mit der Frage nach Gott in unserem Leben, in unserem Alltag, in unserem gesellschaftlichen Umfeld. Die Größe Gottes ist dabei oft verborgen im Kleinen, im Unscheinbaren. Diesen Gegensatz haben die Italienerinnen in der Christkindler Kirche mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Die Pfarrassistentin hat ihnen daraufhin eine Erklärung mitgegeben, die auf den tiefen Kern von Weihnachten verweist: "Ja, so ist es mit Gott in der Welt, da muss man oft genau hinschauen, dass man ihn erkennt."

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein erfülltes neues Jahr 2018.

 

Bischof Manfred Scheuer

* Bertolt Brecht, "Maria", in: ders., Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Band 4: Gedichte 2, Frankfurt a. M. 1997, 87.

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