„Wir bitten um Verzeihung“

Von Helmut Atteneder   20.April 2011

„Es ist gedroschen worden, es war brutal und mit den Erziehern hat man sich nicht spielen brauchen. Wir waren der letzte Dreck.“ Das sind die Erinnerungen eines ehemaligen Zöglings des als besonders hart eingestuften Landesjugendheimes in Linz-Wegscheid, das von einem Stacheldrahtzaun umgeben war.

Damals, etwa zwischen 1950 und 1980, waren die Erziehungsmethoden in Heimen des Landes, aber auch der katholischen Kirche nicht zimperlich gewesen. Der Seelen- und Körperschmerz von damals ist bei vielen Erwachsenen wieder spürbar geworden, nachdem im Vorjahr schwere sexuelle und körperliche Übergriffe auf ehemalige Zöglinge im Stift Kremsmünster publik wurden. Sowohl Kirche als auch Land Oberösterreich haben eine Opferschutz-Kommission ins Leben gerufen.

Bis zu 25.000 Euro pro Fall

Gestern hat der Landeshauptmann persönlich eine Zwischenbilanz für die Landesheime präsentiert. 81 Personen haben sich gemeldet, in 51 Fällen wurden finanzielle Gesten fixiert. Von Entschädigungen wollte Josef Pühringer nicht sprechen – aus juristischen Gründen und „weil das Wort dem nicht gerecht werden kann, was passiert ist“.

Bis zu 25.000 Euro wurden pro Fall zugesprochen, insgesamt werden am 2. Mai 622.500 Euro an die Opfer in den Landesheimen Wegscheid, Leonstein und Schloss Neuhaus überwiesen. Pühringer entschuldigte sich im Namen des Landes für das körperlich, seelisch und sexuell zugefügte Leid: „Wir bitten um Verzeihung. Methoden, die damals in der Erziehung gängig waren, sind unrecht gewesen.“

Die Opferschutz-Kommission hat zahlreiche Fälle bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Bisher wurden alle Verfahren eingestellt, weil die Taten bereits verjährt oder die Beschuldigten längst verstorben sind.

Anders als in der Causa der Misshandlungen in der katholischen Kirche. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Patres aus dem Stift Kremsmünster. Die Klasnic-Kommission für Opfer der katholischen Kirche hat 165 Fälle in Oberösterreich registriert und entschädigt.

Historische Aufarbeitung

Die Geschichte der Jugendfürsorge in Oberösterreich seit dem Zweiten Weltkrieg wird auch wissenschaftlich aufgearbeitet. Sie wird Mitte 2012 publiziert.

 

Ehemalige Erzieher müssen Auszeichnung zurückgeben

Zwei einstige leitende Mitarbeiter des Heimes Wegscheid bekamen 2009 die Verdienstmedaille des Landes. Diese müssen sie wieder zurückgeben. Notfalls per Gesetzesänderung.

Landeshauptmann Josef Pühringer ist bemüht, gleich festzustellen, dass die beiden ehemaligen Erzieher ihre Verdienstmedaille für private Leistungen bekommen haben. Er erwartet sich aber, dass die beiden Herren die Auszeichnung von sich aus zurückgeben. Und wenn nicht? „Dann werde ich eine dementsprechende Änderung des Landesgesetzes vorlegen.“ Die beiden Erzieher waren von zahlreichen ehemaligen Heimkindern beschuldigt worden.
Heute gilt im Heim Wegscheid der Leitspruch „Mitten im Leben“ . Derzeit werden rund 50 Jugendliche wegen Problemen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung betreut. Ziel ist die behutsame Eingliederung ins „normale“ Leben.
Geister wirken noch nach
Heimleiter Josef-Maria Trimmel kennt einige der ehemaligen Erzieher noch persönlich. Er hält die Aufarbeitung der Vergangenheit in seinem Haus für „ganz wichtig. Wir arbeiten heute ganz anders, trotzdem wirken die Geister von damals immer noch nach“.