Wie ein kleines Dorffest zum Spektakel aufblühte
BAD AUSSEE. Bertl Seiberl ist einer der Urväter des Narzissenfests – er machte das Blumenfest als Organisator zum riesigen Event.
Den Loser im Rücken, den Zinken und den Hohen Sarstein im Blick, ringsum ein liebevoll gestaltetes Holzhaus, in dem einst Hugo von Hofmannsthal seine literarischen Werke zu Papier brachte. Und mittendrin Bertl Seiberl, der in der idyllischen Ortschaft Obertriessen in ein Meer von weißen Sternen taucht. Mit Bedacht zupft der 75-Jährige die leicht säuerlich riechenden Narzissen samt Stängel aus dem feuchten Boden. Das Pflücken ist für den 75-Jährigen inzwischen ein Genuss.
Früher, als Seiberl noch Obmann des Vereins zur Förderung der Heimatkunde, Heimat und Denkmalpflege im Ausseerland war, blieb für solche Annehmlichkeiten wie Narzissenpflücken oder -stecken vor dem größten Blumenfest Österreichs keine Zeit, die organisatorischen Aufgaben ließen es nicht zu. Während der Strauß in seiner linken Hand wächst, erzählt er über die Anfänge des Publikumsmagneten. Von einem Trachtenfabrikanten und einem Kaufmann, die ein kleines Dorffest mit etwa tausend Besuchern auf die Welt brachten. Und über sein Wirken.
Denn er, der hauptberufliche Kassenleiter einer örtlichen Bank, machte das Narzissenfest zu dem, was es heute ist: zu einer Attraktion, die mehr als 30.000 Besucher aus dem In- und Ausland in die Region lockt, und zu einem prestigeträchtigen Fest, das Brücken zwischen den kreativen Einheimischen und den Urlaubern, die unterhalten werden wollen, bildet.
Die Gäste sind es auch, die Seiberl zum Mithelfen bewog, sie zum Pflücken auf den Wiesen und Stecken in den Scheunen animierte, um den Figurenbauern Arbeit abzunehmen. "Es ist unglaublich, was die Teilnehmer so kurz vor dem Fest leisten und wie sie ihre Figuren maßstabsgetreu bauen", schwärmt Seiberl. "Ich kann mich noch an meine Anfänge als Obmann erinnern. Da war eine Teilnehmergruppe, die hat sich übernommen. Das Drahtgestell war nur zur Hälfte mit Blumen bestückt. Auf einem Taferl stand eine Entschuldigung, dass sie nicht fertig wurden", erzählt Seiberl, der selbst auch immer wieder um Nachsicht bitten musste. Denn die 25 Jahre, in denen er das Narzissenfest gestaltete, blieb besonders vor dem Spektakel wenig Zeit für seine Frau und die beiden Kinder. Heute ist das anders. Das Pflücken ist ein nostalgischer Zeitvertreib. Ins Geschehen will er sich nicht mehr drängen, sagt der zweifache Großvater, der lieber seiner Enkelin die Bühne überlässt.
Kurz schaut Bertl Seiberl von der Blumenwiese auf, lässt seinen Blick über die Berggipfeln des Ausseerlandes schweifen und zeigt auf einen der schneebedeckten Riesen, die knapp 2000 Meter in die Höhe ragen. Einen von ihnen will Bertl Seiberl am Sonntag besteigen, während Tausende Besucher die Wunderwerke aus Millionen von weißen Sternchen in Bad Aussee und später auf dem Grundlsee bestaunen werden.
Tipps für das Narzissenfest
Das von den OÖNachrichten als Medienpartner begleitete 58. Narzissenfest hat am Sonntag, 28. Mai, mit der Präsentation der Figuren beim Stadtkorso in Bad Aussee (ab 8 Uhr) und beim anschließenden Bootskorso auf dem Grundlsee, der um 14.30 Uhr beginnt, seinen Höhepunkt.
Abseits des Narzissenfests gibt es zahlreiche weitere Freizeitaktivitäten:
Narzissenstecken: An verschiedenen Orten finden gleichzeitig zahlreiche Schaustecken, bei denen auch Gäste mithelfen können, statt. Einen Überblick gibt es auf www.narzissenfest.at/de/programm.
Bergsteigen: Wer dem Treiben in den Ortschaften entfliehen will, hat bei einer ausgiebigen Bergtour, beispielsweise auf den Loser, auf die Trisselwand oder auf den Hohen Sarstein Gelegenheit dazu.
Dichtkunst: Nach einem Spaziergang auf der Via Artis, die zu den Wirkungsstätten vieler heimischer Künstler führt, wäre die Erstlesung von Autor Herbert Dutzler am Samstag, 20 Uhr, im Amtshaus Altaussee ein gelungener Ausklang.
Radtour: Ein traumhaftes Panorama bietet sich Radfahrern auf dem Uferweg des Grundlsees Richtung Gößl, wo eine Straße zum Toplitzsee führt. Nach einer Rast in der Fischerhütte kann der Weg mit dem Boot zurückgelegt werden.
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Wie die einst ordinäre Bezeichnung Spektakel zum ganz normalen, medialen Begriff zurechtgebeult worden ist.