Widerspenstige Worte: Für Stotterer ist jede Unterhaltung Stress pur

Von Bernhard Leitner   01.März 2011

„Der erste Eindruck, den Menschen von mir gewinnen, wird oft von meinem Stottern beeinflusst“, sagt Roland Wegerer. Für Menschen wie ihn werde damit jede scheinbar noch so belanglose Unterhaltung zu einem Risiko: „Ein Gespräch führen, das ist für uns Stotterer einfach Stress pur. Ich bin dabei so sehr auf mich und meine Sprache konzentriert, dass ich jede weitere Verbindung zum Zuhörer nicht schaffe.“ Viele Stotterer ziehen daraus die Konsequenz, in der Öffentlichkeit so wenig wie möglich zu sprechen.

Schweigen und Rückzug

Diesen sprachlichen Rückzug tritt auch Wegerer hin und wieder an. Er überlege im Beisammensein mit anderen Menschen oft, ob er sich zu einem Thema ebenfalls äußern oder sich doch lieber keine Blöße geben will. Lediglich im Gespräch mit persönlich vertrauten Menschen verfliegt die Beeinträchtigung. Dann deutet nichts darauf hin, dass Worte für ihn zu garstigen Feinden werden können: „Wenn ich merke, ich bin mit meinem Gesprächspartner auf einer Wellenlänge, dann ist das Stottern wie weggeblasen. Der innere Stress ist weg und die Worte sprudeln nur so heraus.“

Dass mit dem Oscar-Erfolg des Filmes „The King’s Speech“ das Gebrechen des Stotterns eine weltweite Plattform bekommt, freut Wegerer von Herzen. Denn bislang sei man mit diesem Thema eher verschämt umgegangen. In der Kunst ebenso wie im Alltag. „Ich finde den Film großartig. Das war bisher ein weißer Fleck auf der künstlerischen Landkarte“, sagt Wegerer. Er will sich den Streifen nun so rasch wie möglich auch in der englischen Originalfassung ansehen: „Da kommt die schauspielerische Leistung von Colin Firth sicher noch besser zur Geltung.“

„Stotternde“ Kunstvideos

Roland Wegerer selbst thematisiert sein Gebrechen durchaus offensiv: in künstlerischen Arbeiten. In der Videoperformance „This Is My Voice“ etwa inszeniert er einen Stotterchor. Auch seine Diplomarbeit an der Kunstuniversität Linz hat Wegerer dem Stottern gewidmet.

Als Preis für seine Künstlertätigkeit nimmt er in Kauf, bei Präsentationen vor Publikum das Wort ergreifen zu müssen. So wie beispielsweise am kommenden Freitag, wenn Wegerer das von ihm initiierte „Danube Video Art Festival“ im Stadtkino Grein eröffnen wird. Welche innere Kraft er in diesen Sekunden aufbringen wird müssen, werden jene ein wenig besser beurteilen können, die „The King’s Speech“ schon gesehen haben. Genau aus diesem Grund, ist Roland Wegerer froh, dass dieser Film derzeit in aller Munde ist.