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„Wenn ich faste, dann erwarte ich mir einfach nur Respekt“

Von Von Helmut Atteneder   22.August 2009

OÖN: Herr Demir, Sie verzichten seit gestern einen Monat lang auf jede Nahrungsaufnahme zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang.

Demir: Nach der Religion geht es darum, dass man sich einen Monat lang so fühlt, wie eine Person, die nichts zu essen und nichts zu trinken hat. Dass man sich also in eine arme Person hineinversetzen kann. Natürlich ist auch Selbstdisziplin dabei. Gehorsamkeit. Für mich ist der Ramadan wie Weihnachten – nur eben gleich einen ganzen Monat lang. Da ist es ruhig, eine schöne Zeit. Jeder ist fokussiert, niemand streitet.

OÖN: Enthaltsamkeit also auch beim Austragen von Konflikten?

Demir: Auch wenn es Grund für Streit geben würde, macht man das in dieser Zeit einfach nicht. Das wird ausgesetzt ...

OÖN: ... und am Ende des Monats weiter gestritten?

Demir: Dann ist es ohnehin wieder vergessen. Für mich ist die Einhaltung des Ramadan eine Art Selbstdisziplin. Es ist gut, sich einmal wie Bedürftige zu fühlen – dass man das im Kopf hat. Ich fühle mich nach dem Ramadan immer besser, leichter.

OÖN: Gibt es so etwas wie einen Ramadan-Ersatz?

Demir: Wenn jemand krank ist, Medikamente braucht, schwanger ist oder hart arbeitet, dann ist er entbunden. Dafür spendet man pro Tag den Gegenwert einer Mahlzeit, und das Geld kommt Bedürftigen zu.

OÖN: Was passiert mit Muslimen, die Fasten nicht interessiert?

Demir: Es ist ein gewisser Druck da. Man wird schief angesehen. Vor allem, wenn man während dieser Zeit in der Öffentlichkeit etwas konsumiert und dabei gesehen wird.

OÖN: Sie ziehen den Ramadan beinhart durch.

Demir: Bei mir ist nicht einmal ein Kaugummi drinnen. Rauchen verboten, Trinken verboten, Essen verboten, aber auch Geschlechtsverkehr. Ich bin da hart. Ich passe sogar beim Gesichtwaschen auf, dass nichts in den Mund kommt. In den ersten drei Tagen ist das schwer, am Schluss ist man so im Rhythmus, dass es ganz einfach ist.

OÖN: Schildern Sie einen Tagesablauf in der Fastenzeit.

Demir: Um halb vier Uhr Früh stehe ich auf, dann gibt es Frühstück. Da isst man schön, trinkt etwas, bisschen Tee, viel Wasser. Dann putze ich mir die Zähne und passe auf, dass nichts im Mund bleibt. Untertags gehe ich dann auf die Uni. Körperlich hält man sich zurück, wenn es geht. Und am Abend wird dann gekocht und nach Sonnenuntergang gegessen.

OÖN: Da wird dann ordentlich zugelangt.

Demir: Beim Fastenbrechen nach Sonnenuntergang an sich gar nicht so. Da trinke ich Wasser, esse Datteln. Aber nach ein, zwei Stunden kommt dann so richtig der Hunger.

OÖN: Wie reagieren Freunde, Studienkollegen, die keine Muslime sind, darauf, dass Sie fasten?

Demir: Die meisten glauben, dass mein Fasten nur das Essen betrifft. Mich wundert das immer wieder, jedes Jahr. Sie wissen sehr wenig über meine Religion, da weiß ich viel mehr über Christen. Frauen sind meistens begeistert, weil sie den Ramadan für eine Art Diät halten. Die Burschen sind da schon direkter: „Du hast ja einen Vogel, das bringt nichts.“

OÖN: Berührt Sie das?

Demir: Aber nein. Ich will niemanden davon überzeugen, jeder steht auf seinen eigenen Beinen und ist für sich selbst verantwortlich. Ich würde nie einem Christen sagen, dass er fasten soll, das ist sein Bier. Und wenn ich faste – da erwarte ich mir einfach nur Respekt.

OÖN: Erzählen Sie von einem extremen Fastenerlebnis.

Demir: Beim Bundesheer – vor vier, fünf Jahren. Normalerweise muss ein Moslem während dem Bundesheer nicht fasten. Aber die hatten ohnehin jeden Tag nur Schweinefleisch, da habe ich mir gedacht, gut, dann kann ich gleich fasten auch. Dann kam der 50-Kilometer-Marsch. Am Abend war ich dann fix und fertig und bin einfach umgefallen. Danach habe ich das Fasten für drei Tage unterbrochen.

OÖN: Sind Sie ein strenggläubiger Moslem?

Demir: Ich bete nicht fünfmal am Tag, wie es eigentlich obligat wäre. Am Freitag gehe ich gerne in die Moschee.

OÖN: Haben Sie schon einmal während der Fastenzeit gedankenverloren gegessen oder getrunken?

Demir: Ist mir schon passiert. Es ist dann so, dass man sofort aufhört, denn wenn jemand weiß, dass er irrtümlich Fasten gebrochen hat und bewusst weiterisst, muss er als Strafe zusätzlich 60 Tage fasten.

OÖN: Nach dem Ramadan wird gefeiert?

Demir: Ja, drei Tage lang. Man besucht sich, telefoniert in die Türkei, wünscht sich schöne Feiertage. Es ist einfach eine schöne Zeit. Ich genieße aber auch die Zeit danach, diese Freiheit.

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28. März 2024