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"Weniger Bettler auf den Straßen"

05.Juni 2014

"Vergangenen November haben wir mit den etwa wöchentlichen Schwerpunktkontrollen begonnen, bei denen die Identitäten festgestellt werden. Im April hatten wir nur noch ein Viertel dieser Feststellungen, und auch die Anzeigen sind von 163 im November auf einen zweistelligen Bereich im April zurückgegangen."

Die Exekutive habe ein System entwickelt, um rasch bei Übertretungen Strafanzeigen aus- und den Betreffenden zustellen zu können. "Es gibt auch die Möglichkeit, eine Ersatzfreiheitsstrafe einzubringen", sagt Pilsl, der in der Bettelei "nicht das Riesenthema, auch nicht in Wels und Steyr" sieht. Beim heutigen Bettelei-Gipfel werde er die Erfahrungen der Polizei kundtun. Wie eine mögliche Verschärfung des Gesetztes aussehen soll, überlässt der Landespolizeidirektor der Politik. "Für uns müssen die Formulierungen jedoch konkret sein. Was ist verboten und was ist erlaubt, damit strafbare Handlungen für uns leicht erkennbar sind."

Eine milde Gabe für den Eintritt ins Himmelreich

„Betteln ist ein altes Phänomen“, sagt Roman Sandgruber, Vorstand des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Linz. Schon das Mittelalter sei „voller Bettler“ gewesen. Damals brachte man ihnen Sympathie entgegen, erhoffte man sich doch durch milde Gaben den Eintritt ins Himmelreich. Die Bettelmönche jener Zeit verkörperten das christliche Ideal der Demut.

Das änderte sich im frühen 16. Jahrhundert. Nun versuchte man, die Bettler „einzufangen und zur Arbeit zu zwingen“. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) nahm ihre Zahl dramatisch zu, vor allem wegen der entlassenen Söldner, die keinen Beruf erlernt hatten.

Arbeitshäuser und Heimatrecht

Bis zu 20 Prozent der Erwachsenen waren im 17. und 18. Jahrhundert zum Betteln verurteilt, um 1700 lebten in Oberösterreich 30.000 Bettler. Um die soziale Problematik zu entschärfen, entwickelte sich in den Gemeinden das „Einlegerwesen“: In jedem Haus wurden Arme und Alte ein, zwei Tage beherbergt und dann weitergereicht. Auf dem Land hat sich diese Praxis bis ins 20. Jahrhundert erhalten.

Im 18. Jahrhundert griff die Obrigkeit rigoros durch. „Unstete Personen, die ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft allgemein ,Zigeuner‘ genannt wurden, steckte man in Arbeitshäuser“, sagt Sandgruber. So war etwa an die Linzer Wollzeugfabrik ein großes Arbeitshaus angeschlossen. Der Zugang zu den im 19. Jahrhundert aufkommenden Altenhäusern und Bürgerspitälern blieb den Wohlhabenden vorbehalten.

Am Beginn des Industriezeitalters wurde für „Sozialfälle“ das Heimatrecht eingeführt: Hatte ein Arbeiter fern der Heimat seinen Job verloren, musste seine Herkunftsgemeinde für ihn sorgen. Doch die hatte meist nicht die nötigen Mittel, und die Betreffenden mussten betteln gehen. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929/30 wuchs die Zahl der Bettler enorm. Im Ständestaat wurden sie in Lagern interniert, eines der größten wurde in Schlögen eingerichtet. So reagierte das Dollfuß-Regime auf den Druck der Landbevölkerung, die sich von der „Bettlerplage“ bedroht fühlte. Die Nazis terrorisierten Bettler als „Asoziale“ in KZ-artigen Arbeitserziehungslagern.

Nach 1945 wurde das soziale Netz dichter, immer weniger Menschen fielen durch die Maschen. Nach einem Tiefststand vor 30 Jahren nehme die Zahl der Bettler jetzt wieder zu. „Heute sind es mehrheitlich Ausländer, die daheim keine soziale Absicherung finden und die offenen Grenzen nutzen, um zu uns zu kommen“, sagt Sandgruber. Jene offenen Grenzen, „an denen sehr reiche und sehr arme Regionen aufeinanderstoßen.“

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