War pädophiler Arzt auch in Kremsmünster aktiv?
KREMSMÜNSTER / STEYR. Missbrauchsverdacht in Stift: Verurteilter Kinderarzt Franz Wurst soll Genitalien von Schülern vermessen haben.
Neue Facette im Strafverfahren gegen einen 79-jährigen ehemaligen Pater und Lehrer im Stiftsgymnasium Kremsmünster wegen des Verdachtes des jahrzehntelangen Kindesmissbrauchs: Der Pater soll mit dem wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilten und bereits verstorbenen Kinderarzt Franz Wurst bekannt gewesen sein. Mehr noch: Der pädophile Arzt soll auch in Kremsmünster „aktiv“ gewesen sein.
Wie berichtet, werfen 15 ehemalige Schüler von Kremsmünster dem Pater und damaligen Konviktsdirektor massive körperliche und sexuelle Gewalt von 1970 bis in die 1990er-Jahre vor. Zusätzlich wird dem Mann der Besitz einer illegalen Pumpgun angelastet, mit denen er die Kinder bedroht und eingeschüchtert haben soll. Bisher hat der des Klosters mittlerweile verwiesene Geistliche zu den Anschuldigungen geschwiegen. Doch in Akten, die den OÖNachrichten vorliegen, finden sich Protokolle der Staatsanwaltschaft Steyr aus dem Jahr 2008, in denen sich der Pater erstmals gegenüber der Justiz zu einem Missbrauchsvorwurf äußern musste und seine pädophilen Neigungen eingestand. Das Verfahren wurde damals wegen Verjährung eingestellt, der Pater nicht weiter überprüft.
Medizin als Deckmantel?
Das Protokoll von 2008 ist aber jetzt für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der aktuellen Opferaussagen wesentlich. Als ob er die vorgeworfenen sexuellen Handlungen an den Kindern zu rechtfertigen versuchte, brachte der Pater den Arzt Franz Wurst (siehe Bericht unten) ins Spiel. Dieser hätte ihm gegenüber ab 1970 „mit Nachdruck“ die Meinung vertreten, dass die Genitalien eines jeden Buben genau untersucht werden müssten. Wurst habe auch selbst die Genitalien der Schüler in Kremsmünster vermessen, gab der Pater zu Protokoll. „Ich weiß jedoch nicht, bis zu welcher Klasse, wahrscheinlich jedoch bis zur vierten Klasse“, sagte der Pater aus.
Pater und Arzt Komplizen?
Damals Betroffene fragen: „Waren Wurst und der Stiftspater womöglich Komplizen? Und fielen die abstrusen medizinischen ,Methoden‘ im Stift niemandem auf?“
„Vor 30 Jahren hätte niemand die Kompetenz und die Handlungen eines zweifachen Facharztes und Universitätsprofessors angezweifelt. Schon gar kein Laie hätte da eine Chance gehabt. Es war auch die Hörigkeit gegenüber Medizinern viel stärker als heute“, war die einhellige Meinung von heute tätigen Fachärzten, die von den Oberösterreichischen Nachrichten befragt wurden.
Ähnlich formulierte es gestern auch Pater Bernhard Eckerstorfer, Pressesprecher des Stiftes: „Die Beiziehung von Dr. Wurst war zur damaligen Zeit ein Renommee. Er wurde auch von der Jugendwohlfahrt OÖ immer wieder beigezogen und in anderen Schulen auch für Routineuntersuchungen. Da kann man im Nachhinein keinen Vorwurf erheben.“