Von der ungebrochenen Faszination des Abhebens

15.September 2018

Immer noch faszinierend ist der Prozess des Fliegens, ungebrochen seit den Tagen des Flugpioniers Otto Lilienthal. "Die Macht des Verstandes, oh, wend’ sie nur an. Es darf dich nicht hindern ein ewiger Bann, sie wird auch im Fluge dich tragen", schrieb er, der 1891 den ersten Gleitflug absolvierte unter Abwägung verschiedener Flügelprofile. 15 Meter weit ging der Hüpfer, der jedoch bereits das Auftriebsprinzip nutzte. Vor 280 Jahren hatte es der Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli in seinem Hauptwerk "Thermodynamica" veröffentlicht. Heute unter Bernoulli-Effekt bekannt, besagt das Prinzip: Dort, wo die Strömung schneller ist, ist der Druck kleiner. Der Effekt, auch als hydrodynamisches Paradoxon benannt, lässt sich leicht selbst sichtbar machen. Man nehme zwei A4-Papierbögen, halte sie links und rechts des Mundes parallel nach vorne und blase dazwischen durch. Der ausgeblasene Luftstrom drückt nicht – wie zu erwarten wäre – die Blätter auseinander, sondern er zieht sie zusammen. Warum? Die schnelle Luft im Spalt verringert den Druck gegenüber dem herrschenden Umgebungsluftdruck.

Der Bernoulli-Effekt regt die Stimmlippen in unserer Kehle zu Schwingungen an. So entsteht die Stimme. Er wird in Strahlpumpen, beim Rauchfang und eben beim Fliegen genutzt.

Von der ungebrochenen Faszination des Abhebens
Auftriebsexperiment im Welios: Der Tennisball im Rohr geht nach oben, wenn oberhalb des Flügels Unterdruck durch die Strömung entsteht. In diesem Fall ist der Winkel zu steil, Strömungsabriss die Folge.

Hervorragende Exponate

Dort, wo man 1910 auf der "Ersten Österreichischen Flugshow" stolz den Motorflug-Erstling namens "Wright-Flugmaschine" präsentiert hat, geht es auch heute ums Fliegen, nämlich in Wels. Im Science Center und Mitmach-Museum Welios ist seit gestern die kleine aber äußerst feine Sonderausstellung "Der Traum vom Fliegen" (bis Mai 2019) geöffnet. "Wir erklären anhand von etlichen Hands-on-Exponaten, wie der Auftrieb entsteht, zerlegt in die wirkenden Kräfte", sagt Leo Ludick, Kurator der Sonderschau. Sehenswerte Leihexponate kamen etwa aus Didi Mateschitz’ Hangar 7 – ein aufgeschnittener Sternmotor – dazu ein aktueller Schaumotor von Rotax, Schaustücke aus der Flugzeug-Zuflieferindustrie, von Lufthansa, den Austrian Airlines oder von der "Weißen Möwe" in Wels. Vom heimischen Fliegerclub steht ein professioneller Cessna-Flugsimulator in der Ausstellung. In einer umgebauten Schubumkehr-Klappe eines Airbus A350 ist ein Kleinkino eingerichtet, in dem ein Berufspilot Antworten auf gängige Fragen zum Pilot sein gibt.

"Ich habe eine derart gute Aufbereitung des Themas dynamischer Auftrieb noch in keinem Science Center – zumindest in Europa – gesehen", sagt Welios-Geschäftsführer Michael Holl. Zudem freut ihn die Zusammenarbeit in der Ausstellung mit der Fachhochschule Oberösterreich in Wels. Hier wird das Bachelorstudium "Leichtbau und Composite-Werkstoffe" angeboten. Studienleiter Roland Hinterhölzl: "Vor dreißig Jahren bestanden rund 15 Prozent der Flugzeugteile aus Composite-Materialen, etwa Kohlefaser, heute sind es mehr als 50 Prozent."

Für Schüler (Sekundarstufe I und II) wird im Welios der Workshop "Das Fliegen" angeboten (Info: www.welios.at). Zu sehen ist u. a. wie der Bernoulli-Effekt einen aufblasbaren Wasserball schräg über einem Laubsaugergebläse tanzen lässt. Probieren Sie das durchaus auch einmal zu Hause!