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Von Mechelen nach Molenbeek: Wo Integration funktioniert – und wo nicht

Von Markus Staudinger aus Belgien, 05. Mai 2018, 00:05 Uhr
Von Mechelen nach Molenbeek: Wo Integration funktioniert – und wo nicht
Schmuckes Mechelen: Von der Problem- zur Vorzeigestadt Bild: mst

Wie Mechelen zur Vorzeigestadt wurde, erkundete Landesrat Anschober auf einer Belgien-Reise.

Die Gastgärten vor den schmucken Bürgerhäusern sind voll, von der Sint-Rombouts-Kathedrale klingt das helle Glockenspiel fröhlich über den großen Marktplatz von Mechelen. Die 90.000-Einwohner-Stadt auf halbem Weg zwischen Brüssel und Antwerpen zeigt sich an diesem warmen Frühlingstag von ihrer schönsten Seite.

Schön war es hier nicht immer: Vor 20 Jahren hatte Mechelen eine der höchsten Kriminalitätsraten Belgiens, in einem Ranking rangierte sie als "dreckigste Stadt" des Landes.

2000 errang die Rechtsaußen-Partei Vlaams Blok (heute: Vlaams Belang) bei der Kommunalwahl mit 40 Prozent Platz eins. 31 Prozent der Einwohner Mechelens haben Migrationshintergrund, 20 Prozent sind Muslime. Insgesamt leben Menschen aus 138 Nationen in der Stadt.

Bürgermeister wurde 2000 dennoch kein Vlaams-Blok-Mann, sondern der junge Liberale Bart Somers. Viele prophezeiten, er würde scheitern. Mittlerweile ist Bart Somers 54 Jahre alt – und nach wie vor Bürgermeister. Dass sich Mechelen 2018 so präsentiert, wie es sich präsentiert, hat viel mit ihm zu tun.

Wie er das geschafft hat, davon machte sich dieser Tage Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) ein Bild.

Law-and-Order und Integration

Es ist eine politisch nicht sehr verbreitete Mischung, die Bart Somers in Mechelen praktiziert: "Law-and-Order" auf der einen Seite, auf der anderen Seite eine offensive Integrationspolitik. Null Toleranz gegenüber Verstößen, aber auch null Toleranz gegenüber Diskriminierung. So hat Somers aus der einstigen Problemstadt eine Vorzeigestadt gemacht.

Mechelen hat ein dichtes Netz an Überwachungskameras, Somers hat die Zahl der Polizisten deutlich erhöht. Auch eine Art Stadtwache patrouilliert durch Mechelen.

Gleichzeitig versucht die Stadt alles, um Barrieren zwischen Bevölkerungsgruppen abzubauen. "Ich will keine Segregation", sagt Somers im OÖN-Gespräch. "Das ist aller Übel Anfang."

Dazu dreht die Stadt an vielen großen und kleinen Rädchen. In den Schulen bemüht man sich um einen ausgewogenen Anteil von Migranten und Mechelern aus alteingesessenen Familien. Die zahlreichen Jugendvereine der Stadt, darunter die Pfadfinder, gehen aktiv auf Zuwandererfamilien zu und laden zum Beitritt ein.

Die Wähler schätzen Somers’ Politik. Der Vlaams Belang ist in Mechelen mittlerweile auf neun Prozent abgerutscht. Somers wurde mehrfach wiedergewählt. 2016 wurde er als "World Mayor" ausgezeichnet, sozusagen als weltbester Bürgermeister.

Von Mechelen nach Molenbeek: Wo Integration funktioniert – und wo nicht
Integrationslandesrat Anschober (Grüne). Mechelens Bürgermeister Somers Bild: mst

Wie sieht Anschober Somers’ Politik? Können sich Grüne mit dem Law-and-Order-Aspekt in Mechelen anfreunden? "Ich würde das nicht Law-and-Order nennen", sagt Anschober. "Es geht darum, klar zu kommunizieren, dass unsere Regeln einzuhalten sind – egal ob man in Attnang-Puchheim oder in Kabul aufgewachsen ist." Mechelen zeige aber auch: "Integration muss ein vorrangiges Thema sein", sagt Anschober. Umso mehr kämpfe er darum, dass in Österreich erfolgreiche Integrationsmaßnahmen wie etwa Sprachkurse nicht eingeschränkt oder gar abgeschafft werden, wie das die Bundesregierung plane.

Von Molenbeek in den Dschihad

In Mechelen ist gelungen, wovon Molenbeek noch weit entfernt ist: Spätestens seit den Anschlägen von Paris und Brüssel gilt der Brüsseler Stadtteil als Sinnbild für misslungene Integration.

Molenbeeks Vizebürgermeisterin Sarah Turine begleitet die Delegation aus Österreich durch das Viertel. Ein Kamerateam filmt Anschober und Turine. Ein Sportwagen bleibt stehen. Turine möge lieber etwas gegen die grassierende Arbeitslosigkeit tun, statt Journalisten durchs Viertel zu führen, schimpfen zwei junge Männer arabischer Herkunft aus dem Wagen.

Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem, erläutert Turine, die seit sechs Jahren im Amt ist und einen Wandel schaffen will: Die Arbeitslosenrate im Viertel liegt weit über 30 Prozent, bei Jugendlichen sogar bei 50 Prozent. Eine gewisse Abneigung gegen Kameras kann man verstehen. Nach den Anschlägen kamen Journalisten aus aller Welt hierher – auf der Suche nach dem Molenbeek-Thrill.

Den es so nicht gibt. Wer ein gefährliches, am besten nicht zu betretendes Ghetto erwartet, liegt falsch. Dass es in Molenbeek aber Parallelgesellschaften gibt, belegt nicht nur die Tatsache, dass das Viertel Heimstätte etlicher Attentäter von Paris und Brüssel war. Auch mehr als jeder Zehnte der rund 500 Dschihadisten, die aus Belgien in den syrischen Bürgerkrieg zogen, stammt aus Molenbeek. Aus Mechelen kam kein Einziger.

Neuankömmlingen werden in Molenbeek und einem anderen Migrantenviertel Brüssels seit einiger Zeit Sprachkurse und Kurse in Landeskunde angeboten. Welchen Erfolg man damit erzielt? Es sei noch zu früh, um das zu bewerten, sagt Turine. Es ist aber sicher den Versuch wert – solange die Finanzierung hält.

Denn auch das unterscheidet Mechelen und Molenbeek: Anders als im prosperierenden Mechelen fehlt Geld in Molenbeek an allen Ecken und Enden.

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