Umweltprüfungen: EU-Urteil stärkt Rechte von Nachbarn

17.April 2015

Das gestern gefällte Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dem Höchstgericht der EU, rüttelt am System von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP-Verfahren) in Österreich. Konkret rügt der EU-Gerichtshof, dass Nachbarn eines geplanten Großprojektes im UVP-Feststellungsverfahren mangels Parteistellung nicht mitreden dürfen. Dies widerspreche aber den EU-Vorschriften.

In einem Feststellungsverfahren prüft die Behörde die Vorfrage, ob überhaupt eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist. Laut nationalem UVP-Gesetz haben in diesem Verfahren aber nur der Projektwerber, die involvierten Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde Parteistellung und damit das Recht, Einwendungen zu erheben – aber nicht die betroffenen Nachbarn.

Kampf gegen Marktcenter

Ausgangspunkt war ein Fall aus Kärnten. Dort bekämpft die Anrainerin eines geplanten 12.000 Quadratmeter großen Fachmarktzentrums dieses Großprojekt. Die Kärntner Landesregierung erließ einen negativen Feststellungsbescheid, entschied also, dass das Projekt nicht UVP-pflichtig sei. Weil sie gemäß österreichischer Rechtslage keine Parteistellung hatte, konnte die Grundbesitzerin den Feststellungsbescheid nicht anfechten. Dieser wurde in der Folge rechtskräftig und entfaltete eine "Bindungswirkung" auf das gewerbebehördliche Verfahren, in dem die Nachbarin zwar Einwendungen erheben kann, aber nicht mehr argumentieren darf, dass eine UVP notwendig gewesen wäre. Mit ihrer Beschwerde ging die Kärntnerin bis zum Verwaltungsgerichtshof und der ersuchte den EuGH um eine Vorabentscheidung. Und die ging negativ für Österreichs Rechtslage aus.

"Stellt die Behörde fest, dass ein Großprojekt keine UVP benötigt, können Nachbarn diese Entscheidung nicht anfechten", sagt Rechtsanwalt Wolfgang List, der die Anrainerin aus Kärnten vertritt. Dies widerspreche dem Unionsrecht, sagt der Anwalt. Konkret den EU-Richtlinien über Umweltverträglichkeitsprüfungen und der EU-Grundrechtscharta, die umfassende Rechtschutzmöglichkeiten für EU-Bürger vorsieht. List vermutet, dass das heimische Gesetz nun geändert werden muss, und glaubt, dass das Urteil "enorme Auswirkungen" auf das Wirtschaftsleben haben werde, weil künftig Projektbetreiber schon in den Planungen Nachbarinteressen berücksichtigen müssten. Vom für UVP-Vorschriften zuständigen Umweltministerium gab es trotz OÖN-Anfrage keine Stellungnahme. (staro)