Über ein kleines Dorf wächst langsam Gras

Von Philipp Hirsch (Text) und Alexander Schwarzl (Fotos)   04.August 2016

Hagenau verschwindet. Dort, wo noch vor wenigen Monaten schmucke Einfamilenhäuser standen, wuchern jetzt satte Wiesen. Nur vereinzelte Schutthügel und ein einsamer Bagger neben einem Feld zeugen von den Abrissarbeiten.

370.000 Euro hat Helmut Gruber draufgezahlt. Das Geld aus der Ablöse für sein altes Haus im Goldwörther Ortsteil Hagenau (Bezirk Urfahr-Umgebung) reichte nicht einmal ansatzweise für den Neubau auf dem Mursberg in Walding aus. "Wir hätten eine echte Abfertigung und nicht ein Trinkgeld gebraucht", sagt er. Seine Finanzen machen ihm ein wenig Sorgen. Mindestens 20 Jahre lang wird er die neuen Kredite abzahlen müssen. Er ist nicht der einzige Hagenauer, der durch das Absiedeln eine große finanzielle Last zu stemmen hat. Grubers neuer Nachbar in Walding ist ein alter Bekannter aus Hagenau.

Dieter Prischl wohnte bis vor wenigen Wochen in Hagenau 23. Auch er und seine Lebensgefährtin hatten nach dem Hochwasser 2013 genug. Auf dem Mursberg haben sie sich einen modernen Bungalow samt Swimmingpool gebaut – weit oberhalb der Überflutungszonen unten im Eferdinger Becken. Das Geld aus der Ablöse für ihr altes Heim in Hagenau war schnell verbraucht. Wie viel er aus eigener Tasche für den Neubau dazuzahlen musste, hat sich Prischl noch nicht genau ausgerechnet: "Ich kann aber sagen, dass es da um eine gewaltige Stange Geld geht."

Der Mursberg in Walding ist das neue Hagenau. Acht Bauparzellen wurden hier für die Hochwasser-Siedler von der Gemeinde bereitgestellt. Ein Angebot, das viele Hagenauer im Vorjahr dankbar annahmen. "Am Anfang war es eine Katastrophe, als wir nach Gründen gesucht haben. Alle Verkäufer verlangten Wucherpreise, weil sie wussten, dass wir keine Wahl haben", sagt Gruber mit einer verächtlichen Handbewegung. Dass jemand seine Notsituation aus Gier derart ausnützen wollte, ärgert ihn bis heute maßlos.

Die Entscheidung, Hagenau zu verlassen, sei eine der schwersten seines Lebens gewesen, sagt er. Monatelang wog er das Für und Wider ab. Schließlich sei es aber eine Vernunftentscheidung gewesen, das alte Haus aufzugeben. Dass er gemeinsam mit mehreren ehemaligen Hagenauern hier auf dem Mursberg gelandet ist, ist ihm zumindest ein kleiner Trost: "Alleine hierher zu ziehen, wäre mit Sicherheit schlimmer gewesen. Gemeinsam geht alles leichter."

Vollkommen wird Hagenau aber trotz der Absiedlungen nicht von der Landkarte verschwinden. Familie Weinzierl wird bleiben. 80 Hektar bewirtschaftet sie im Eferdinger Becken. Der bloße Gedanke, dass der alte, prachtvolle Vierkanthof der Abrissbirne hätte zum Opfer fallen können, lässt Altbauer Franz Weinzierl erschaudern: "Ich hab’ hier mein ganzes Leben verbracht und schon drei große Hochwasser erlebt. Das schlimmste war 1954. Wir kamen aber jedes Mal irgendwie damit zurecht", sagt der 81-Jährige. Die Entscheidung, ob der Hof bleiben soll oder nicht, überließ Weinzierl seinem Sohn. "Als er gesagt hat, dass sie bleiben möchten, ist mir ein Riesenstein vom Herzen gefallen."

 

"Die einzige Chance für Goldwörth"
Müllner in Hagenau

„Die einzige Chance für Goldwörth“

Goldwörth. „Natürlich ist bei so einem Projekt nicht alles perfekt“, sagt Johann Müllner (VP), Bürgermeister von Goldwörth. Seit dem Hochwasser 2013 dominiert die Flut sein politisches Schaffen. Absiedlungen, Schutzprojekte, Bürgerinitiativen, ungezählte Sitzungen und Besprechungen mit Vertretern des Landes und Bundes sind seine Tagesordnungspunkte.

Müllner hat in den vergangenen drei Jahren viel über Hydrologie und Förderrichtlinien gelernt. Das Hochwasserschutzprojekt für das Eferdinger Becken, dessen Pläne derzeit fertig gestellt werden, ist laut Müllner „die einzige Chance für Goldwörth, um als eine Gemeinde eine Zukunft zu haben“.

Ohne den Ringwall, der das Gemeindezentrum vor künftigen Überflutungen schützen soll, würden immer mehr Einwohner den Ort verlassen, ist der Bürgermeister überzeugt. Prinzipiell sei er mit den Plänen für das Schutzprojekt zufrieden, sagt Müllner. Nur bei der Positionierung des Dammes sieht er noch Verbesserungpotenzial. „Es wäre für uns sehr wichtig, dass der Sportplatz noch innerhalb des Dammes liegt. Das versuchen wir derzeit beim Land noch durchzusetzen. Wenn es so bleibt wie geplant, hätten einige Goldwörther den hohen Damm direkt vor ihrer Haustüre.“

Nicht alle Bürgermeister im Eferdinger Becken sind mit den Planungen des Landes glücklich. Franz Allerstorfer (SP) aus Feldkirchen an der Donau kündigte bereits an, den Entwürfen nicht zustimmen zu wollen.