„Steter Tropfen höhlt zwar Steine, aber nicht alle Menschenhirne“

Von Elisabeth Eidenberger   29.Oktober 2011

OÖN: Würden Sie sich als waschechte Feministin bezeichnen?

Floßmann: Wenn Sie mit „waschecht“ meinen, dass ich zu den Prinzipien des Feminismus auch dann stehe, wenn es gerade nicht der Karriere dient, dann ja.

OÖN: Dabei ist das Wort „Feministin“ heute eher negativ behaftet und hat etwas mit Kampf zu tun.

Flossmann: Heute schon. Die Anliegen sind aber witzigerweise die gleichen geblieben.

OÖN: Schlagen sich Frauen in der Gesellschaft Ihrer Meinung nach unter ihrem Wert?

Floßmann: Da unsere Gesellschaft dazu neigt, sogar Werte in Geld zu bemessen, kann die Antwort nur „ja“ lauten. Das zu ändern ist eine zentrale Aufgabe des Feminismus. Die Frauen- und Geschlechterforschung schafft hierfür wesentliche Grundlagen.

OÖN: Lange war Geschlechtergerechtigkeit mit einer Sprachumstellung verbunden – dem Binnen-I.

Flossmann: Für mich ist die geschlechtergerechte Sprache eine Selbstverständlichkeit. Auch die JKU bekennt sich dazu. Die fehlende gesetzliche Verpflichtung steht jedoch aus. Steter Tropfen höhlt zwar Steine, aber nicht alle Menschenhirne.

OÖN: Sie gelten als Pionierin in Sachen „Gender Studies“ an der Uni Linz. Wie sind Sie überhaupt zu dem Thema gekommen?

Floßmann: Mir würde schon genügen, als eine der Wegbereiterinnen der feministischen Forschung anerkannt zu werden. Den Zugang fand ich über meine Tätigkeit als Rechtshistorikerin. Nirgendwo ist mehr Anschauungsmaterial für die strukturelle Diskriminierung von Frauen zu finden als hier. Darum plädiere ich auch für die Beibehaltung einer rechtshistorischen Ausbildung mit Schwerpunkt auf Geschlechtergeschichte im Jusstudium und für mehr verpflichtende genderspezifische Lehrveranstaltungen in allen Studienrichtungen.

OÖN: Die JKU hat als erste Uni in Österreich ein Institut für Frauen- und Geschlechterforschung eingerichtet – ist die Linzer Uni heute noch Vorreiterin in Gender-Fragen?

Floßmann: Die JKU war mit der Einrichtung des Instituts unter der Leitung von Gabriella Hauch Impulsgeberin für die institutionelle Absicherung dieser Disziplin. Mit dem im Vorjahr gegründeten, österreichweit einzigartigen Institut für Legal Gender Studies an der rechtswissenschaftlichen Fakultät ist die JKU weiterhin in der Vorreiterrolle.

OÖN: Was war als erste Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der JKU Ihr größter Erfolg?

Floßmann: Die deutliche Erhöhung des Frauenanteils bei den Universitätsprofessoren.

OÖN: Dabei wurde der Arbeitskreis zu Beginn belächelt, er wurde als „Papiertiger“ bezeichnet.

Floßmann: Ja, der Kampf war schwer. Wir haben uns oft gewehrt, sind sogar einmal vor dem Büro des damaligen Wissenschaftsministers Erhard Busek aufmarschiert. Unsere Unnachgiebigkeit hat dazu geführt, den Respekt für Frauenanliegen grundlegend zu verbessern.

OÖN: Welche Ziele haben Sie für die Pension – die Freizeit genießen zwischen Katze und Enkelkind, oder werden Sie frauenrechtliche Themen weiter beschäftigen?

Flossmann: Die Geschlechtergerechtigkeit wird mir immer ein Anliegen sein. Das Eintreten für benachteiligte Gruppen der Gesellschaft ist eine menschliche Verpflichtung. Das Ausscheiden aus der Uni ändert nur das Arbeitsfeld.

Zur Person: Ursula Floßmann

Ursula Floßmann ist in Freistadt geboren, hat an der Uni Wien Jus studiert und promoviert. An der Linzer Kepler Uni begann sie als Assistentin am Institut für Deutsches Recht und wurde 1977 Professorin. Sie war erste Vorsitzende des Ausschusses für Frauenfragen und des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen. Seit 2010 war die 67-Jährige Vorständin des neuen Instituts für „Legal Gender Studies“.