Schwein gehabt

Von Roman Sandgruber   23.Juni 2018

Je nach Berechnungsart werden in Österreich 40 bis 60 Kilogramm Schweinefleisch pro Kopf und Jahr verzehrt. Also fast die Hälfte des gesamten österreichischen Fleischverbrauchs. Doch nicht nur Tourismus und Migration verändern die Essgewohnheiten.

Das Schwein hat keine gute Nachrede: Massentierhaltung, Geruchsbelästigung, minderwertige, aus Dritte-Welt-Ländern stammende Fütterung und nicht wirklich klare Herkunftsdeklarierung werden den Schweinehaltern immer wieder zum Vorwurf gemacht. Dass die Realität anders ist, wird geflissentlich übersehen. Im internationalen Vergleich ist die österreichische Schweinehaltung immer noch sehr kleinstrukturiert. Die Tiere werden überwiegend mit heimischem, von den Bauern selbst produziertem Futter ernährt. "Tierwohl" und "Bio" gewinnen immer mehr Raum.

Keines unserer Haustiere hat ein so widersprüchliches Image wie das Schwein. Es ist geliebt und verachtet: Wir sprechen von Glücksschwein und Sauwetter, von Schwein haben und Schweinereien treiben. Man fühlt sich einmal sauwohl und das andere Mal sauschlecht. Die negativen Zuschreibungen überwiegen, von saudumm über saugrob bis zu saukalt und sauteuer, vom Saumagen bis zum Saupreußen. Auf der anderen Seite sind es gerade die Film- und Fernsehschweine, die höchste Beliebtheitswerte erreichen und geeignet sind, nicht nur Kinderherzen zu entzücken: das stets freche, aber wissbegierige Ja!-Natürlich-Ferkel, das viele schlaue Fragen und Ratschläge an den Bauer hat, das Rennschwein Rudi Rüssel, die Schweinebrüder Piggeldy und Frederick, das Ferkelmädchen Peppa Wutz, die Miss Piggy aus der Muppet Show, das Schweinchen Dick, das Ferkel Winnie Pooh, das kleine Schweinchen Au Schwarte, das Schwein in der Farm der Tiere und das Wildschwein in Asterix und Obelix und auch das Warzenschwein Pumbaa, dessen Leibspeise Kakerlaken sind.

Das Schwein ist ein Allesfresser und nicht nur diesbezüglich dem Menschen sehr verwandt: Wurzeln, Früchte, aber auch Insekten, Fleischreste und vielerlei Abfälle machten früher das Schweinefutter, aber auch die Nahrung der Urmenschen aus. Vielleicht ist es gerade diese Ähnlichkeit zum Menschen, die zur Tabuisierung in Judentum und Islam geführt hat: nämlich Tiere als Haustiere zu meiden, die vom selben Nahrungsangebot zehren wie der Mensch. Heute ist alles anders geworden: Der Mensch ist längst kein Allesverwerter mehr, sondern produziert beim Essen riesige Abfallmengen, die aber, statt den Schweinen verfüttert zu werden, beim Hausmüll landen.

 

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.