Rechts abbiegen trotz roter Ampel: Verkehrsminister Hofer präsentiert Pilotkreuzungen

Von staro, hes, hip   21.August 2018

Verkehrsminister Norbert Hofer (FP) dürfte für seine Versuche im Straßenverkehr an Oberösterreich Gefallen gefunden haben: Nach Tempo 140 auf der A1 wird nun in Linz das Rechtsabbiegen trotz roter Ampel getestet.

Heute, Dienstag, gaben der Verkehrsminister und sein Parteikollege, der Linzer Verkehrsstadtrat Markus Hein, bei einer Pressekonferenz den Standort der Pilotkreuzungen bekannt:

 

Eine der drei Pilotkreuzungen befindet sich im Kaplanhofviertel an der Nordseite des Kepler Universitätsklinikums.

Der Lageplan:

 

Eine weitere Pilotkreuzung ist im Stadtteil Ebelsberg südöstlich der ehemaligen Hiller-Kaserne angedacht.

 

Die dritte Pilotkreuzung befindet sich in St.Magdalena bei der Straßenbahnhaltestelle Dornach:

 

"Jedes einzelne Fahrzeug muss trotzdem an der Haltestelle anhalten und sich vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert oder gefährdet werden. Zudem wird jede Kreuzung, bevor sie mit einem Grünpfeil ausgestattet wird, auf die entsprechende Tauglichkeit untersucht", sagt Verkehrsminister Hofer während der Pressekonferenz.

Hofer zeigt das Verkehrszeichen, das Rechtsabbiegen bei Rot erlauben wird:

Hofer präsentiert das Abbiegezeichen.

 

"Das tägliche Stau-Chaos auf den Straßen, gepaart mit den negativen gesundheitlichen Folgen durch die erhöhte Feinstaubbelastung, ist der Linzer Bevölkerung ein Dorn im Auge", sagt der Linzer Infrastrukturstadtrat Markus Hein. "Uns sind deshalb alle Maßnahmen willkommen, die der Reduktion von Feinstaubemissionen dienen und gleichzeitig den Verkehr möglichst flüssig gestalten beziehungsweise unnötige Steh- und Stauzeiten vermeiden", erklärt der Stadtrat weiter.

 

Schon vorab bestätigt Hein: "Linz wird zur Testregion." 

ÖAMTC und ARBÖ reagieren kritisch auf den Vorschlag. "Die meisten Kreuzungen, bei denen das geht, sind ohnehin bereits mit Spursignalen ausgerüstet", sagt Martin Hoffer, Leiter der ÖAMTC-Rechtsabteilung. Abbiegen bei Rot würde die Wertigkeit des Rotsignals insgesamt entwerten, befürchtet der Autofahrerclub. Es gebe "genügend andere Möglichkeiten, den Verkehr flüssiger zu gestalten", sagt Hoffer. Die geplante Umstellung beim Rechtsabbiegen könnte vor allem in den Städten bei den Ampelschaltungen zu gröberen Problemen führen, befürchtet der ARBÖ. "Diese Schaltungen sind aufeinander abgestimmt, wenn jetzt mehr Lenker während der Rotphase rechts abbiegen, könnten gewisse Straßenstücke schneller verstopfen als zuvor", argumentiert der ARBÖ. Eine Umstellung der Ampelschaltungen würde alleine in Wien mehrere Millionen Euro kosten.

Gefahr für Radfahrer?

Auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht den Versuch kritisch: "Das Rechtsabbiegen bei Rot ohne eine eigene Ampelregelung bringt für den Verkehrsfluss wenig, stellt aber ein hohes Risiko für Fußgänger und Radfahrer dar, Stichwort: toter Winkel", sagt Markus Gansterer vom VCÖ. Autofahrer müssten an einer Kreuzung zudem auch das Risiko einkalkulieren, dass Fußgänger bei Rot über die Kreuzung marschieren, und auch noch auf den Verkehr von links achten. "Erfahrungen aus den USA zeigen, dass es dadurch zu mehr Unfällen gekommen ist." In Deutschland seien die Rechtsabbiege-Pfeile "ein Relikt aus der DDR". Grundvoraussetzung für ein solches Projekt sei jedenfalls, dass die Kreuzung besonders gut einsehbar ist. "Da würde es sich aber auch gleich anbieten, eine eigene Rechtsabbiegephase über eine veränderte Ampelsteuerung einzuführen."

Wo ist es erlaubt?

In den USA und in Deutschland ist das Rechtsabbiegen bei Rotlicht zumindest teilweise gestattet.

In Deutschland weist ein eigenes Schild mit einem grünen Pfeil auf die Möglichkeit des Rechtsabbiegens bei Rot hin. In den USA ist es umgekehrt. Dort ist das Rechtsabbiegen bei Rot seit den 1970er-Jahren an den meisten Straßenkreuzungen erlaubt. Besteht an einer bestimmten Kreuzung ein Verbot, weist ein Schild mit der Aufschrift „No right turn on red“ darauf hin.

3 Fragen an ... Peter Jonas, Verkehrspsychologe

Peter Jonas ist Geschäftsführer des Instituts „Gute Fahrt“ und sieht im geplanten Versuch, an bestimmten Kreuzungen trotz roter Ampel rechts abbiegen zu dürfen, Vor- und Nachteile.

1. Rechtsabbiegen bei Kreuzungen trotz Roter Ampel: Wie funktioniert das Modell?

Für Lenker, die zur Kreuzung kommen und rechts abbiegen wollen, gilt die rote Ampel wie ein Stop-Schild. Sie müssen stehen bleiben, schauen, ob jemand kommt, und können fahren.

2. Was halten Sie als Verkehrspsychologe von dem geplanten Versuch?

Es ist eine durchaus spannende Idee und eine praktische Möglichkeit, den Verkehrsfluss zu verbessern. Allerdings sehe ich darin eher eine Symbolpolitik, die mit den wirklichen Problemen im Straßenverkehr nicht viel zu tun hat.

3. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile?

Der Vorteil liegt im beschleunigten Verkehrsfluss. Allerdings sind bei weitem nicht alle Kreuzungen dafür geeignet. Der Nachteil liegt in der Uneinheitlichkeit des Systems. Das Modell gilt nicht an allen Kreuzungen. Das kann Autofahrer überfordern, zu Missverständnissen führen und Unfälle auslösen.