Personalnot: Warum jetzt auch schlechte Testergebnisse für die Polizei reichen

Von Philipp Hirsch   12.September 2018

In der Schule galt früher: Wer mehr als die Hälfte der Aufgaben bei einer Mathematik-Schularbeit nicht lösen kann, kassiert ein Nicht genügend. Die österreichische Polizei ist bei ihrer Nachwuchssuche deutlich weniger streng: Wer mehr als 139,3 von 982 Punkten erreicht, hat den Aufnahmetest theoretisch bereits bestanden.

In Jahren, in denen nur wenige neue Polizisten ausgebildet werden, hat die Exekutive bei ihren Bewerbern die Auswahl: "Normalerweise hat man rund 400 bis 500 Punkte gebraucht, um als Polizeischüler aufgenommen zu werden", sagt Hermann Krenn, Polizeibeamter und SP-Sicherheitssprecher. Bei den derzeitigen Aufnahmen seien aber in Oberösterreich auch Kandidaten mit "etwa 250 Punkten" aufgenommen worden, berichtet Krenn.

Ist es derzeit so einfach wie nie zuvor, Polizist zu werden? Das stimme nur zum Teil, sagt Krenn: "Ich habe in den 90er Jahren in Wien Dienst versehen. Damals sind bei größeren Aufnahmewellen auch Kandidaten mit rund 150 Punkten genommen worden. In Oberösterreich ist es aber neu, dass so wenige Punkte ausreichen."

Die oberösterreichische Landespolizeidirektion wollte diese Entwicklung auf Anfrage nicht offiziell kommentieren.

Mehrmals wurden in den vergangenen Jahren vom Innenministerium die Mindestanforderungen für den Polizeiberuf heruntergeschraubt. Mindestgröße und das Höchstalter für Bewerber wurden gestrichen. Die Schwimmprüfungen sind derzeit ausgesetzt, und die Vorschriften betreffend tätowierter Bewerber wurden gelockert. Zumindest Letzteres hält auch Krenn für sinnvoll: "Es ist nicht lange her, dass wir einen Bewerber, der mehr als 900 Punkte erreicht hatte, wegen eines kleinen Tattoos ablehnen mussten", sagt der SP-Sicherheitssprecher.

Muttersprache als Stolperstein

Weiterhin gilt: Wer Polizist werden möchte, muss mindestens 18 Jahre alt sein, die österreichische Staatsbürgerschaft haben und darf keine Vorstrafen aufweisen.

Der Aufnahmetest gliedert sich in einen schriftlichen Test, eine ärztliche Untersuchung, ein Aufnahmegespräch und eine sportliche Überprüfung. 982 Punkte sind maximal zu erreichen. Wie die Gesamtpunktezahl berechnet wird, will das Innenministerium aber nicht öffentlich erklären.

Im Prüfungsalltag erweise sich vor allem der schriftliche Test als großer Stolperstein für die Bewerber, berichten leitende Beamte. Viele Bewerber würden aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse scheitern.

Innenministerium sucht in rechten Gazetten nach Polizisten

Rund 1,3 Millionen Euro hat das Innenministerium im ersten Halbjahr für eine Werbekampagne ausgegeben, mit deren Hilfe neue Polizeischüler rekrutiert werden sollen. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von Alfred Noll (Liste Pilz) an Innenminister Herbert Kickl (FP) hervor.

Demnach befinden sich auf dieser Liste Zeitschriften und Online-Plattformen, denen ein zweifelhafter Ruf vorauseilt. Medien wie „alles roger“ oder „Wochenblick“ sind für Noll „rechtsextreme und verschwörungstheoretische Zeitschriften“. Auf die Frage, warum das Innenministerium in derartigen Gazetten inseriert, lässt das Ressort wissen: „Die Auswahl erfolgt nach Reichweite, Auflagenstärke, Zielgruppe, Leserschaft und Preissegment.“

Die Kommunikationsstrategie sehe vor, „eine möglichst große Zahl an Lesern zu erreichen“. Die Beantwortung der Frage, ob die Verantwortlichen dieser Medien Verbindungen zur FPÖ haben, falle nicht „in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Inneres“, schreibt das Ministerium weiter.

Die oberösterreichische Landespolizeidirektion lehnte es ab, die Inseratenkampagne des Ministeriums zu kommentieren. Hermann Krenn, Polizist und SP-Sicherheitssprecher, sagt: „Es kann nicht gut sein, wenn nur in einschlägig rechten Medien inseriert wird, die Polizei sollte immer möglichst gut einen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln.“

Eine Verurteilung durch den Presserat ist für das Innenministerium jedenfalls kein Grund, von Inseraten in den betroffenen Medien abzusehen: „Im Presserat ist grundsätzlich jede Tageszeitung schon einmal verurteilt worden, manche öfter, manche weniger oft“, sagt ein Sprecher.