Obdachlose Bettler-Kinder von Linz: Die schwierige Suche nach Lösungen

Von René Laglstorfer   31.Juli 2018

Der Exklusivbericht der Linzer Nachrichten war gestern Tagesgespräch in der Landeshauptstadt: Rund 30 Menschen, die zur Volksgruppe der Roma gehören und rumänische Staatsbürger sind, nächtigen seit etwa zwei Wochen in der Unterführung und unter der A7-Autobahnbrücke bei der Wiener Straße im Linzer Stadtteil Spallerhof – darunter sind auch einige Kinder.

Wer ist für sie verantwortlich?

Einer, der die Linzer Obdachlosen-Szene seit Jahrzehnten beobachtet, ist Ernst Achleitner, Geschäftsführer des Sozialvereins B37, der vom Land Oberösterreich finanziert wird. Die Sozialarbeiter des Vereins schauen regelmäßig bei Linzer Obdachlosen nach dem Rechten und versorgen sie mit Essen, Trinken und Decken. "Zu den bettelnden Roma haben wir aber keinen Kontakt. Von öffentlicher Seite werden wir angehalten, nicht tätig zu werden", sagt Achleitner im OÖNachrichten-Gespräch.

Sozialarbeiter in Rumänien?

Auch in Einrichtungen des Vereins finden die Roma keine Aufnahme. "Mit dieser Gruppe haben wir unsere Probleme. Unsere Sozialarbeiter beobachten, dass die kleinen Kinder den ganzen Tag über ruhig am Arm der Bettler hängen – und das bei der Hitze. Wir vermuten, dass den Kindern Psychopharmaka oder andere Tabletten gegeben werden. Wir haben schon probiert, über das Jugendamt etwas zu bewirken, aber die fühlen sich nicht zuständig", sagt Achleitner.

Damit konfrontiert, sagt die zuständige Linzer Vizebürgermeisterin Karin Hörzing (SP): "Wenn das stimmt, dann müssen die Polizei und das Jugendamt sofort einschreiten." Sozialarbeiter des Magistrats sollen nun die Roma-Familien besuchen, um einzuschätzen, ob es einen Verdacht auf Misshandlungen gibt. Doch das eigentliche Problem sei nur in den Herkunftsländern zu lösen: "Wir würden gerne Sozialarbeiter im rumänischen Brasov finanzieren, damit die Roma-Kinder dort die Schule besuchen und in geordnete Strukturen kommen, anstatt bei uns zu betteln. Aber wir konnten uns mit den rumänischen Politikern nicht einigen", sagt Hörzing.

"Die Kinder sollten in ihren Heimatländern den Kindergarten besuchen oder die Schulbank drücken und nicht als Bettler durch Linz ziehen", sagt der Linzer Gemeinderat Peter Stumptner (FP). Hörzing hätte längst handeln müssen, kritisiert er. Auch Martin Hajart, Linzer VP-Klubchef, sieht das Kindeswohl gefährdet. "Trotzdem sollte man den Menschen nicht gleich ihre Kinder wegnehmen, sondern über Sozialarbeiter Kontakt aufnehmen und ihnen die Rute ins Fenster stellen, dass bei uns die Schulpflicht gilt."

Linzerin lebte selbst unter Brücke

Eine Linzerin, die die Volksgruppen der Roma und Sinti am besten kennt, ist Gitta Martl. Sie gehört selbst der Volksgruppe der Sinti an. "Ich war überrascht zu lesen, dass die Roma unter einer Autobahnbrücke schlafen. Dann muss es ihnen wirklich schlecht gehen", sagt Martl. Als Kind lebte sie selbst unter einer Brücke, und zwar in einem Wohnwagen unter der alten Eisenbahnbrücke in Linz, und ging mit ihren Eltern hausieren. "Ich wollte nicht, dass meine Kinder so aufwachsen wie ich." Heute hat ihre Tochter ein Studium abgeschlossen.

Verein "Ketani" aufgelöst

Die bettelnden Roma-Familien habe Martl über den Verein "Ketani", der sich für Sinti und Roma einsetzte, früher mit Mineralwasser, Wurstsemmeln und Medizin versorgt. Vor zwei Jahren wurde der Verein aufgelöst, weil die Förderungen immer weniger wurden.

"Die große Angst der Roma ist es, auseinandergerissen und von ihren Kindern getrennt zu werden." Wichtig sei, mit ihnen zu sprechen, und dass sie sich sprachlich verstanden fühlen. Martl wünscht sich, dass Caritas oder Volkshilfe den Roma unter die Arme greifen. "Ich habe mit meinen 72 Jahren nicht mehr die Kraft, da etwas zu bewirken."