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Nicht gut machen

Von Gabi Kreslehner, 20. Juni 2015, 00:05 Uhr
Nicht gut machen Von Gabi Kreslehner
„Wunden? Unser Land? Hat es? Auf den ersten Blick sehe ich keine. Alles grünt und blüht ...“ Bild: Kreslehner

Zur Lage des Landes, Teil 2: Die OÖNachrichten haben heimische Autorinnen und Autoren eingeladen, im Jahr der Landtagswahl ihren Blick auf Oberösterreich in Essays zu schildern. In der literarische Reihe meldet sich diesmal Gabi Kreslehner zu Wort.

Am Ende wird alles wie vorher sein. Der Wahlkampf wahlgekämpft, die Schlacht geschlagen, die Meinungsforscher meinungsgeforscht, die Wähler gewählt, die Verlierer verloren, die Gewinner gewonnen.

Wir werden Bilder gesehen haben von Menschen in aufgeheizten oder desillusionierten Wahlkampfzentralen, die einen jubelnd, die anderen bitter enttäuscht. Zuvor werden sie sich gerieben und gefetzt haben und manch einer wird mit dem anderen nichts mehr zu tun haben wollen. Am Ende des Weges werden sie nebeneinander stehen, eine Kühle wird spürbar sein zwischen den Gewinnern und den Verlierern, die Kameras werden über die Gesichter streifen und jene besonders lieben, die durchdrungen sind vom Glück des Sieges; noch mehr aber jene, die der Verlust fassungslos gemacht hat, erschöpft, enttäuscht, mutlos.

In den Tagen danach werden die Analysten kommen und sagen, sie hätten es schon immer gewusst und das wären die Fehler gewesen, die schlimmsten von allen, und warum man denn nicht gesehen hätte, dass ... und dass ... und dass ...

Und endlich werden Putzkolonnen alles Papier von den Böden fegen, die restlichen Luftballons entsorgen und den Dreck der Wahlkämpfe und der Wahl seiner natürlichen Bestimmung zuführen, dem Weg in den Müll nämlich, hoffentlich getrennt.

Es geht Angst um

So haben wir es gerade erlebt. Und so wird es wieder sein. Noch aber ist Zeit und jener Septembertag eine ferne Fügung in der Zukunft, manchem jedoch schon jetzt ein schwer auf der Brust lastender Albtraum. Es geht Angst um. Vor dem Verlieren. Weil das keiner gern tut. Denn wenn man verliert, muss man sich eingestehen, was man falsch gemacht hat. Man legt Finger in Wunden. Und das tut weh.

Wunden? Unser Land? Hat es? Auf den ersten Blick seh ich keine. Alles grünt und blüht, ich staune über die Ruhe und Sattheit der Halme, die sich im Wind bewegen, bunte Tupfen, leuchtender Holunder, kräftige Rhododendren, weiße Zelte. Und da schrillt sie schon, meine kleine Sirene.

Nein, die Zeltstadt macht sich nicht gut. Überhaupt machen Ausländer sich nicht gut, es sei denn, sie sind weltberühmte Opernstars oder Weltklasse-Fußballer. Da ist es auch wurscht, wenn sie ihre Interviews nach wie vor auf Englisch geben, weil sie der deutschen Sprache auch nach Jahren österreichischen Staatsbürgerseins nicht wirklich mächtig sind. Da wird auch unser Herr H sich nicht erdreisten, hier deutsches Wortgut einzufordern, um wohnungssparend vorzusorgen, frei nach dem Motto: Wohnst du schon? Oder sprichst du noch nicht?

Aber was nörgle ich? Es ist doch alles wunderbar, das Glück eine Blume, die in unserem Herzen blüht, und das Mittelmeer eine Oase, dessen sanfte Wellen unsere Urlaubsseelen wunderbar umschmeicheln. Seine harschen Wellen, jene, die unsere Yachten oder unsere Segelboote gefährden würden, kennen wir kaum. Und das Wort ZELT ist bislang auch kein böses Wort gewesen. Camping ist doch so eine nette Sache! Wer kennt das nicht, die Schnecken, die am Morgen die Zeltplanen hochkriechen, die gefühlten 63 Grad, die dich in duselige Trance versetzen. Und wenn es regnet, friert man sich den Arsch ab, aber da muss man sich halt besser anziehen! Wenn man genug zum Anziehen hat. Ja. Wenn! Da klopft plötzlich eine Armut an unsere Türen. Eine, die wir so nicht kennen. Plötzlich ist sie ganz nah, und man kann nicht an ihr vorbei, denn sie sticht ins Auge und ins Ohr. Und manchem ins Herz.

Kann man mit unserer Angst spielen? Ja, man kann. Und man tut es. Gerne. Und geschickt. Man schleust diesen Wurm Angst in uns ein, und wir laufen im Kreis und drehen uns um unsere eigene Achse mit dem Blick auf die anderen, die von draußen kommen und uns alles wegnehmen wollen, weil sie selber nichts mehr haben. Das verstehen wir in gewisser Weise. Wenn wir selber nichts mehr hätten, dann würden wirs auch so machen. Fressen und gefressen werden. Das kennt man. Das ist so alt wie die Welt. Und obendrein, ist nicht jeder seines eigenen Glückes Schmied? Ja. Vielleicht. Wenn man im richtigen Land geboren ist. Oder auch dann nicht unbedingt?

Wohlgeordnete adrette Fassaden zeigt das Land. Alles aufgeräumt und sauber. Schöne Häuser. Nette Einkaufszentren. Große Firmen. Und SOMA-Märkte. Immer wieder mal dazwischen. Sozialmärkte. Wer dort einkauft, weist einen Schein vor, der ihm, und das meine ich gar nicht zynisch, das Armsein bestätigt. Schön, denke ich, dass es das gibt! Schön! Wichtig! Gut! Es wird also doch niemand allein gelassen.

Aber, pochen meine Gehirnwindungen weiter, ist es nicht eigentlich eine Schande, dass es diese Märkte geben MUSS?! Dass es mitten in unserem Wohlstand Menschen gibt, die auf sie angewiesen sind? Gibt es Armut also auch in unseren eigenen Reihen? Ja, es gibt sie. Unsere Welt ist so rasant geworden, so unglaublich schnell und vielschichtig, so ZACKZACK, als müssten wir uns ständig selber überholen! Wem das zu viel wird, wer da nicht mitkommt, wer stehenbleibt, wird ausgemustert und fällt in eine entferntere Umlaufbahn, in eine kältere.

Aber, klingt mein gleichgültigbleibenwollendes ICH in mir hoch, muss es nicht immer auch Verlierer geben? Und muss, wo Licht ist, nicht auch Schatten sein? Ja. Eh. Eigentlich. Irgendwie. Aber so?

Alles vermischt sich, das Donauwasser mit dem des Mittelmeeres, die Menschen jenseits und diesseits der Ozeane, die große Welt und die kleine, die Angst davor und die Neugier darauf. So ist das Leben. Und die Politik? Kann sie überhaupt etwas bewirken, geschweige denn verändern? Passiert nicht alles einfach, weil es passiert? Und ist Demokratie nicht viel zu langsam? Weil sie doch ständig nur quatschen und quatschen! Und hat es da einer wie der Putin nicht viel leichter? Der sagt einfach: Kopf ab! Und dann ist der Kopf ab!

Die Macht

Es geht um Macht. Immer geht es um Macht. Und dabei unterstelle ich gar nicht, dass das Streben danach ein unehrenwertes Motiv sei, ist es doch grundsätzlich völlig wertfrei der Antrieb, etwas tun, etwas bewirken zu wollen. Das Problem scheint aber dann oftmals zu sein, dass Macht zum Selbstzweck wird, dass man ohne ihren Glimmer den eigenen Glanz nicht mehr zu sehen scheint, das eigene Leuchten einem abhandenkommt. Und dann geht es nicht mehr um das Land, seine Menschen, deren Ängste, Freuden und Bedürfnisse, dann nämlich, wenn man zum Beispiel das Gefühl bekommt, dass die weißen Zelte nicht deshalb stören, weil man die Menschen darin zu einem unwürdigen Dasein verdammt, sondern nur deshalb, weil sie sich in Zeiten wie diesen NICHT GUT MACHEN.

Und das kreide ich an. Auch wenn ich es nicht beweisen kann. Auch wenn ich es nur so spüre. Noch ist Zeit. Noch kommt erst der Sommer. Aber dann wird am Ende alles wie immer sein. Gewonnen, verloren, zerronnen.

 

Die Autorin

Auf einem Bauernhof am Dürnberg mit sechs Geschwistern und Blick auf die inspirierende Donau aufgewachsen, hamsterte die 1965 geborene Ottensheimerin Gabi Kreslehner mit ihrem schriftstellerischen Debüt „Charlottes Traum“ (2008) zahlreiche Würdigungen, unter anderem den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis.
Die Hauptschullehrerin und zweifache Mutter, die Deutsch, technisches Werken und Bildnerische Erziehung unterrichtet, ließ den Roman „In meinem Spanienland“ (2010), den Krimi „Das Regenmädchen“ (2010), den ausgezeichneten Jugendroman „Und der Himmel rot“ (2011) und im vergangenen Jahr den Thriller „Rabenschwestern“ folgen. Außerdem sind von ihr Kurzgeschichten in Anthologien erschienen.

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