Neues Bewährungshilfe-Projekt: 29 Jugendliche aus Gefängnis entlassen

03.Mai 2014

Das Verhängen von Untersuchungshaft bei jungen Straftätern so gut es geht vermeiden: das war die Devise des Justizministeriums, nachdem im Vorjahr mehrere Fälle von sexuellem Missbrauch in Jugendabteilungen von Gefängnissen bekannt geworden waren.

Der Bewährungshilfeverein Neustart hat im Auftrag des Justizressorts zwei Jahre lang das Projekt "Sozialnetzkonferenz" erprobt, das straffällig gewordene Jugendliche vor einem neuerlichen Rückfall in die Kriminalität bewahren soll. "Auch wenn diese Jugendlichen oft aus schwierigen Familienverhältnissen kommen, versuchen unsere Sozialarbeiter, dass sich Familie, Freunde, Lehrer, Arbeitskollegen, das ganze Umfeld des Betroffenen an einen Tisch setzen", sagt Lukas Schmid, der Leiter von Neustart Oberösterreich. Bei dieser Konferenz legt der Jugendliche seine Ziele fest: etwa einen Job, eine Wohnung in einem neuen Umfeld, den Besuch einer Drogenberatung.

Pünktlichkeit ist oft ein Ziel

"Für manche kann es auch ein großes Ziel sein, am Morgen rechtzeitig aufzustehen, um pünktlich zum AMS-Kurs zu kommen", sagt Schmid. Die Konferenz-Teilnehmer sagen Unterstützung für diese Ziele zu. "Dem Umfeld des Jugendlichen wird dadurch viel stärker bewusst, dass der Betroffene Betreuung und Unterstützung braucht", sagt der Neustart-Leiter. Und der Jugendliche nimmt das Verfolgen seiner Ziele viel ernster. "Dass so viele Leute hinter mir stehen, hat mir geholfen, mich anzustrengen, um niemanden zu enttäuschen", sagt ein Teilnehmer.

Bei 40 jugendlichen U-Häftlingen österreichweit wurden Sozialnetzkonferenzen nun als Vorbereitung zur Entlassung ausprobiert. 29 kamen daraufhin mit dem Okay des Gerichts und der Staatsanwaltschaft wieder frei. Eine bemerkenswerte Anzahl, denn derzeit befinden sich 109 Jugendliche in Österreichs Gefängnissen, in Oberösterreich sind es derzeit fünf.

Projekt mit Preis ausgezeichnet

Die "Sozialnetzkonferenz" wurde nun mit dem Preis "SozialMarie 2014" ausgezeichnet. "Gerade bei straffälligen Jugendliche ist es wichtig, so früh wie möglich aktiv zu werden. Alternativen zur Haft, wie etwa dieses Modell, können ein Abrutschen in die Kriminalität in vielen Fällen verhindern", sagt Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Der Ressortchef will neben den "Sozialnetzkonferenzen" auch betreute Wohngruppen als Alternative zur Haft für Jugendliche einführen. Am Hernalser Gürtel in Wien soll im derzeitigen Polizei-Anhaltezentrum ein spezielles "Jugend-Kompetenzzentrum" entstehen. (staro)

 

Fälle aus Linz und Wels

Akkan H. (17) war in Linz wegen Eigentumsdelikten in U-Haft. Auf Vorschlag des Bewährungshelfers wurde eine Sozialnetzkonferenz einberufen. Zum ersten Treffen kamen u. a. sein Vater und sein Lehrlingsausbildner. Die Familie sagte zu, künftig stärker auf den Sohn zu schauen und dass er nach der Haft zu Hause wohnen darf. Der Lehrherr war einverstanden, dass H. zu seiner Lehrstelle zurück darf. Er wurde aus der Haft entlassen.

Andreas H. (19) wurde wegen Drogendelikten verurteilt. Drohender Wohnungsverlust und Perspektivenlosigkeit waren die größten Probleme, die sein Bewährungshelfer auf der Konferenz ansprach. Die Familie nahm teil. Nach gegenseitigen Vorwürfen kam es zu Lösungen. Der Vater nahm den Sohn bei sich auf, bis er die Kaution für eine eigene Wohnung beisammen hat, die Mutter kümmerte sich um die alten Mietschulden. Der Sohn war bereit, zur Drogenberatung zu gehen.