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Nach tödlichem Unfalldrama: Mildes Urteil für Paketzusteller

Von Thomas Streif   06.Oktober 2017

Am 14. April 2017, um vier Uhr früh, kam es in Tumeltsham zur Tragödie. Wie berichtet, klammerte sich ein 17-jähriger Nachtschwärmer aus dem Bezirk Schärding an die Fahrertür eines Kleintransporters. Nachdem der Fahrer nach einem Streit in Panik losfuhr, stürzte der Innviertler auf die Straße, wurde überrollt und blieb tödlich verletzt liegen. Laut Gerichtsmedizin soll der 17-Jährige im Kopf- und Oberkörperbereich überrollt worden sein – den Archivbericht lesen Sie hier.

Heute musste sich der 23-jährige, in Salzburg wohnhafte, Paketzusteller vor dem Landesgericht Ried verantworten. Staatsanwalt Alois Ebner warf dem Angeklagten grob fahrlässige Tötung vor. Laut dem Angeklagten habe sich die Situation in jener Nacht immer mehr zugespitzt. Die beiden Jugendlichen hätten, als er gerade eine Lieferung im Gewerbegebiet Hannesgrub (Tumeltsham) zustellte, auf ihn eingeredet. Sie dürften auf der  Suche nach einer günstigen Heimfahrgelegenheit gewesen sein.

Die Jugendlichen hätten ihn an der Weiterfahrt gehindert. Da er aus Rumänien sei, habe er aber kaum etwas verstanden. Er habe sogar einen Freund telefonisch kontaktiert, dieser habe dann mit den beiden gesprochen. „Ich habe denn beiden dann sogar mit dem Handy den Satz 'lasst mich bitte fahren' übersetzen lassen“, schildert der Beschuldigte vor Gericht. Die beiden Jugendlichen seien offensichtlich sehr stark betrunken gewesen, so der 23-Jährige.

"Hatte Angst" 

„Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen, plötzlich hatte einer der beiden einen Stein in der Hand“, so der Angeklagte. Dieser sei dann gewaltsam in den Innenraum des Fahrzeugs eingedrungen, um ihn am Wegfahren zu hindern. Schließlich sei es ihm gelungen, den jungen Mann aus dem Fahrzeug zu drängen. „Ich wollte wegfahren, plötzlich hat sich der Zweite an die Fahrertür geklammert und wild mit seiner Faust  gegen das Fenster geschlagen“, schildert der Beschuldigte, der sich während seiner Befragung durch Richter Andreas Rumplmayr immer wieder die Hände vor das Gesicht hält. „Ich bin mit dem ersten Gang weggefahren, denn ich wollte weg, weil ich Angst hatte“, sagte der Beschuldigte.

Er habe seinen Blick nur noch nach vorne gerichtet. „Ich bin unter Schock gestanden, ich wusste ja nicht, was er mit dem Stein vorhat“, sagt der Angeklagte, der immer wieder seine Paniksituation schildert.  Den Sturz habe er in seiner Ausnahmesituation nicht wirklich  registriert. „Ich habe ihn nicht mehr gesehen, ich wollte weg, um in Sicherheit zu sein.“ Er sei der Meinung gewesen, einen Randstein oder maximal den Fuß des Jugendlichen erwischt zu haben, so der Angeklagte.

 

Nächtliche Suche nach Ersatztaxi 

„Ein Taxi war uns zu teuer, also wollten wir uns nach einer anderen Mitfahrgelegenheit umschauen“, sagte der Freund des tödlich Verunglückten Innviertlers, der in der schicksalhaften Nacht dabei war, im Zeugenstand. „Wir haben ihm gesagt, er soll uns heimfahren.“ Nachdem der Beschuldigte sich weigerte, sei es zum Streit gekommen. Das irritierte auch den Ankläger Ebner. „Wieso soll euch ein wildfremder Mensch mitten in der Nacht eine Stunde lang heimfahren? Was denkt man sich dabei.“

Der 18-Jährige berichtete von einer Streiterei, in den Innenraum des Autos sei er aber nicht eingedrungen. „Irgendwann haben wir uns dann gedacht, da ist etwas faul, er könnte ein Einbrecher sein.  Das Kennzeichen ist uns verdächtig vorgekommen, also haben wir es fotografiert“, so der Zeuge. Plötzlich habe er einen Knall wahrgenommen und seinen Freund blutend auf der Straße liegen gesehen. Alles sei sehr schnell gegangen. „Er ist mit Vollgas weggefahren“, schilderte der junge Mann.

Als ihn der Verteidiger mit dem Salzburger Kennzeichen (S) konfrontierte, sagte der Beschuldigte, dass er dieses nicht gekannt habe. Auf weitere Nachfragen räumte er dann ein, sich vielleicht doch nicht mehr an alle Details erinnern zu können. Das erboste den Richter: „Wir wollen hier die Wahrheit wissen“, sagte er mit sehr lauter Stimme. Die Nerven lagen kurzzeitig blank, der Beschuldigte begann auf der Anklagebank zu weinen und musste von seinem Verteidiger getröstet werden. Er sei noch zweimal an den Unglücksort zurückgekehrt. „Ich habe auch eine Kerze für das Opfer niedergelegt“, sagte der Beschuldigte nach den Zeugenbefragungen.

Ankläger Ebner sprach in seinem Schlussplädoyer von einer „unfassbar traurigen Sache“. Auch wenn die Opfer Fehler gemacht hätten, habe der Beschuldigte fahrlässig gehandelt. „Er war in Sicherheit, eine konkrete Gefahr hat nicht mehr bestanden“, sagte Ebner. Ob eine grobe Fahrlässigkeit gegeben war, sei allerdings Ansichtssache, so der Ankläger.

Anwalt Roman Wagner, juristischer Vertreter der Opferfamilie, sah das anders. Natürlich sei grobe Fahrlässigkeit gegeben. Auf den Beschuldigten sei bei den nächtlichen Telefonaten in der Nacht massiver Druck ausgeübt worden, ohne Rücksicht auf Verluste wegzufahren, so Wagner.

Vier Monate bedingte Haft 

Nach rund zwei Stunden hatte sich Richter Rumplmayr sein Bild von der Nacht auf den Karfreitag gemacht. Er verurteilte den Beschuldigten wegen fahrlässiger Tötung zu vier Monaten bedingter Haft. Grobe Fahrlässigkeit sei nicht gegeben gewesen, so der Herr Rat. „Der Angeklagte hat nichts beschönigt. Dass er es wegen der Umstände mit der Angst zu tun bekam, ist verständlich. Er darf aber nicht wegfahren“, sagte Rumplmayr, der in der Urteilsbegründung von einer Verkettung von unglücklichen Gegebenheiten und von einem furchtbar tragischen Ende spricht. Sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger nahmen das Urteil an – rechtskräftig.

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29. März 2024