Nach Rückgängen bei Geschäftsessen: Wirt am Berg sperrt mit Jahresende zu

Von Friedrich M. Müller   29.Dezember 2012

Kulinarischen Genießern fällt es schwer, diesen Schritt von Helmut Wiesinger zu akzeptieren: Mit Jahresende sperrt er sein Restaurant zu, das nicht nur für viele Welser eine gute Adresse für feines Speisen war. „Zumindest bis Ende Februar ist geschlossen“, erklärt der 64-Jährige. Bis dahin hofft er, einen Pächter für sein Lokal zu finden, in dem bis zu 600 Gäste bewirtet werden können.

Wiesinger begründet seinen Rückzug mit starkem Rückgang bei Geschäftsessen. „Wir haben 80 Prozent verloren. Das Geschäft mit Veranstaltungen und privaten Kunden ist zwar mehr geworden. Aber es gibt Tage, da machen wir 15.000 Euro Umsatz und dann solche mit nur 2000 Euro. Und diese sind zuletzt mehr geworden.“

Auch die Konkurrenz durch das nahegelegene Drei-Hauben-Restaurant „Fortino“ seit März des Vorjahres bekam er zu spüren. Dort kocht die Grieskirchnerin Elisabeth Grabmer. „Wir haben uns den Markt teilen müssen“, sagt Wiesinger. Und der dürfte in Wels aktuell zu klein sein.

Die Vernunft rate ihm zu diesem Schritt: „Mein Herz dürfen Sie ohnehin nicht fragen“, sagt der Wirt mit Leib und Seele im Gespräch mit den OÖNachrichten.

Von dem vorläufigen Aus des Restaurants und des Catering-Betriebes ist Wiesingers Weinhandel nicht betroffen. Die 1984 gegründete Vinothek zählt zu den besten des Landes.

Wiesingers vier Kinder wählten andere Berufe. Sie steigen nicht so wie er 1978 nach dem Tod seines Vaters Franz in die Fußstapfen der Vorgänger-Generation. Der Patrone ist überzeugt: „Den ‚Wirt am Berg‘ gibt es weiterhin – in welcher Form auch immer. Wenn ich keinen Pächter finde, mache ich vermutlich weiter.“ Obwohl er im Herbst nächsten Jahres in den Ruhestand treten kann.

Das Restaurant wurde heuer von „A la Carte“ mit zwei Sternen (76 Punkten) gewürdigt. Dass er von Gault Millau keine Haube erhielt, kränkt Wiesinger nicht: „Das tut mir nur für meine Mitarbeiter leid, die Referenzen brauchen – und da macht es einen Unterschied, ob sie in einem Restaurant mit oder ohne Haube arbeiten.“

Die erste Haube von Gault Millau erhielt der „Wirt am Berg“ 1984, eine zweite bekam das Lokal 1998. Erst vor zwei Jahren kürte Klaus Egles Wirtshausführer „Wo isst Österreich?“ Helmut Wiesinger zu „Österreichs Wirt des Jahres“. Tatsächlich ist der Welser ein begnadeter Gastronom, der das Wirtsgeschäft aber als „Eiertanz zwischen Idealismus und wirtschaftlichem Erfolg“ bezeichnet. Jetzt haben die Zahlen die Oberhand behalten.

 

Chronik:

Seit 131 Jahren ist die „Taverne am Hagen“ in Wels-Lichtenegg im Besitz der Familie Wiesinger. 1881 erwirbt Johann Wiesinger aus Kallham, der Urgroßvater des heutigen Besitzers, das durch Blitzschlag großteils abgebrannte Anwesen, das erstmals 1630 urkundlich erwähnt wird.
Zunächst zählen Traunreiter und Salzschiffer zu den Gästen beim „Wirt am Berg“, später die Reisenden der Pferdeeisenbahn Gmunden-Budweis. Ende des 19. Jahrhunderts visitieren Radfahrer, einige Jahrzehnte danach Motorrad-Lenker und immer öfter die automobile Gesellschaft das Haus. Auch die Jägerschaft wählt den „Wirt am Berg“ zu ihrem Treffpunkt. 1984 erhält das Restaurant erstmals von Gault Millau eine Haube.
In dem Lokal dinieren viele Persönlichkeiten. Auf der Gästeliste findet sich u.a. das monegassische Fürstenpaar Rainier und Gracia Patricia.