Management statt Basisdemokratie

Von Philipp Hirsch   27.Oktober 2016

Noch vor etwas mehr als einem Jahr gab es im autonomen Frauenzentrum in Linz so etwas wie eine Geschäftsführung nicht. Entscheidungen wurden von den Mitarbeiterinnen basisdemokratisch getroffen. „Damals wurde sehr viel Arbeitszeit für die Entscheidungsfindung verwendet. Diese Zeit steht jetzt für die Klientinnen zur Verfügung“, sagt Christina Hengstschläger. Seit 1. Oktober leitet die Juristin die Geschäfte des Frauenzentrums. Bei der Umstellung von Basisdemokratie auf Management scheinen Probleme programmiert. Hatte Hengstschläger anfänglich Schwierigkeiten, sich durchzusetzen? „Der Vorteil war, dass ich aus dem Team gekommen bin. Ich war nicht die böse Managerin, die von außen eindringt.“

1721 Frauen suchten im Vorjahr Hilfe. Insgesamt führten Hengstschläger und ihr elfköpfiges Team mehr als 4000 Beratungen mit diesen Klientinnen durch.

Besonders Fälle, in denen Frauen Opfer von sexualisierter Gewalt wurden, verlangen den Beraterinnen alles ab. „Im Idealfall sind wir schon dabei, wenn die Klientin eine Vergewaltigung anzeigt. Wir können sie dann schon darauf vorbereiten, wie eine Einvernahme bei der Polizei abläuft“, sagt Hengstschläger. Viele Opfer würden im Schock nach der Tat bei ihren ersten Einvernahmen die Fakten verdrehen. Das kann sich später im Gerichtsverfahren rächen, weiß Hengstschläger.

Bevor die 31-Jährige vor vier Jahren ihre Tätigkeit beim Frauenzentrum begann, sei ihr nicht bewusst gewesen, wie viele Frauen in Oberösterreich sich in Notsituationen befinden, sagt sie rückblickend: „Wenn du selbst eine starke, emanzipierte Frau bist, fehlt dir ein wenig das Bewusstsein für diese Probleme. Ich hatte das Privileg, nie in einer solchen Situation zu sein.“

Oft wächst zwischen Beraterinnen und Klientinnen ein freundschaftliches Verhältnis. Manche Fälle begleiten die Sozialarbeiterinnen jahrelang: „Es ist eine bereichernde Arbeit. Wir alle im Team haben das Gefühl, tatsächlich etwas zu bewirken.“