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Linz: Reich der Bettler?

05.Juni 2014

Ein Spaziergang über die Landstraße in Linz. Mit offenen Augen – aber nicht für die bunt dekorierten Auslagen, sondern für Menschen, die um Almosen bitten. Aus der Not heraus, aufgrund einer Lebenseinstellung oder weil sie dazu gezwungen werden. Ein Lokalaugenschein, der ein anderes Bild zeigt, als es eine Boulevardzeitung weismachen will.

Reges Treiben kurz nach Mittag am Taubenmarkt. Schüler, Kunden und Geschäftsleute drängen sich auf den Gehsteigen und vor den Straßenbahnhaltestellen. Drei Punks sitzen mit einem Hund an der Ecke Spittelwiese, vor ihnen ein silberfarbener Becher. Sie unterhalten sich in einer osteuropäischen Sprache, ignorieren die Menschen, die an ihnen vorbeigehen, so wie sie ignoriert werden.

Eine Polizeistreife fährt im Schritttempo über die Landstraße, eine von insgesamt sieben. Die Polizei macht wöchentlich Kontrollen, registriert die Bettler. Die Beamten kennen die organisierten Gruppen, die aus etwa 50 Personen bestehen. Meist seien es Roma und Sinti aus Frankreich und Deutschland. "Sie begehen keine Gewaltdelikte, aber bei den Einvernahmen schweigen sie zu den Hintermännern, an die wir gerne rankommen möchten", sagt ein Kriminalist. "Ihr könnt uns schlagen, das sind wir von unseren Auftraggebern gewöhnt", bekommen die Beamten oft zu hören. Wenige Meter entfernt versuchen vier Obdachlose die Kupfermuckn-Zeitung zu verkaufen. Der Erste, der um Geld fragt, ist ein Punk. Mit einer Hand krault er seinem Hund, in der anderen hält er ein Bier.

"Man darf nicht alle in einen Topf werfen. Es gibt drei Gruppen, und denen kann man nicht mit den gleichen Methoden entgegenwirken: Punks, die organisierten Bettler und Obdachlose, die im Leben gescheitert sind", sagt Optiker Klaus Pippig. Die Menschen würden ausweichen, wenn betrunkene Punks mit Hunden den Gehsteig blockieren und Leute anpöbeln.

"Kunden können woanders einkaufen, wenn es ihnen zu viel wird, Menschen, die hier wohnen und arbeiten, nicht", sagt Pippig. "Die Betteltouristen, die ich schon beobachtet habe, wie sie ihr Geld verteilt haben, bleiben in der Stadt, wo es ihnen leicht gemacht wird. Aber niemand hat etwas gegen jene, die im Leben gescheitert sind, ruhig dasitzen und um Almosen bitten."

"Ich bin ganz unten"

Ein Kupfermuckn-Verkäufer sitzt im Rollstuhl vor einer Buchhandlung, während zwei Polizistinnen an ihm vorbeigehen.. "Ich brauche noch 3,50 Euro für meinen Schlafplatz heute Nacht, ich bin ganz unten": Worte eines österreichischen Bettlers beim Schillerpark, die nahegehen. Am Ende der Einkaufsstraße angekommen steht noch ein Obdachloser, der still Zeitungen verkauft. "Wenn die Bettler eine Streife sehen, sind sie weg und zwei Minuten später wieder da", sagt ein Verkäufer, kurz nachdem er fünf Kinder, die offenbar einer Bande angehören, höflich aus dem Geschäft gebeten hat.

"Komme aus Ungarn, haben Hunger", sagt ein Bettler, der vor der Karmeliterkirche auf einem Werbeprospekt kniet und seinen Becher Passanten entgegenhält. Lange ohne Lohn. Eine ältere Frau wirft ihm 50 Cent in den Kaffeebecher. Ihre Tochter protestiert, doch die Frau lacht.

Andere Städte, andere Sitten?

Linz: Verboten ist derzeit aggressives und organisiertes Betteln sowie Betteln mit Kindern, das Verbot von gewerbsmäßigem Betteln soll jetzt dazukommen. Um das Betteln in den Griff zu bekommen, haben städtischer Ordnungsdienst, Erhebungsdienst und Polizei (auch Zivilstreifen) die Kontrollen abgestimmt. Anfang der Woche wurde wieder ein illegales Lager geräumt.

Salzburg: Das generelle Bettelverbot wurde vom VfGH 2013 aufgehoben. Verboten ist aggressives und organisiertes Betteln sowie Betteln mit Kindern. Geplant ist ein Anmeldesystem für Bettler und ein Totalverbot an manchen Plätzen.

Wien: Verboten sind organisiertes, aufdringliches, gewerbsmäßiges Betteln. „Aufdringlich“ meint jede Form von Betteln, die übers bloße „Dasitzen“ hinausgeht. Betteln zum Eigenbedarf ist straffrei.

Graz: Das generelle Bettelverbot wurde 2013 vom Verfassungsgerichtshof annulliert. Graz hofft jetzt auf eine Ermächtigung des Landes, die Betteln nur noch gegen Ausweisvorlage für eine bestimmte Zone erlaubt. Verboten ist „nachgehendes Betteln“.

Was tun mit den Bettlern

Ob das oberösterreichische Polizeistrafgesetz in puncto Bettelei verschärft werden soll, beraten die Landespolitiker am heutigen Donnerstag. An dem Gipfeltreffen nehmen auch Vertreter von Linz, Wels und Steyr sowie Landespolizeidirektor Andreas Pilsl teil. VP, SP und Freiheitliche treten für die Ausdehnung des Bettelverbots auf „gewerbsmäßiges Betteln“ ein. 2013 wurden 265 Bettler kontrolliert, 60 Prozent der Fälle wurden angezeigt.

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