So viele wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Gewalt, Missbrauch, Alkohol, Verwahrlosung: die Gründe für die behördlichen Abnahmen von Kindern seien vielfältig, sagt Jugendwohlfahrts-Landesrat Josef Ackerl (SPÖ). 858 Minderjährige leben in Wohngruppen, 604 bei Pflegefamilien.
Teilweise erkläre sich der Anstieg durch die statistische Zusammenführung der Zahl von Pflegekindern nach dem Sozialhilfe- und dem Jugendwohlfahrtsgesetz. Das Plus seit 2001 betrage dennoch mehr als 15 Prozent. Für die Landes-Jugendwohlfahrt ist die laufende Suche nach zusätzlichen Betreuungsplätzen eine Herausforderung. So eröffnete etwa gestern in Leonding ein neues Kompetenzzentrum des „Vereines Pflege- und Adoptiveltern“ für die Krisenbetreuung von Minderjährigen mit zusätzlichen zwölf Plätzen.
Mehr abgenommene Kinder bedeuten mehr Ausgaben für das Sozialbudget. Ein Platz pro fremduntergebrachtem Kind kostet 150 bis 200 Euro – pro Tag. Die Zeit der Unterbringung dauert in vielen Fällen Monate. „Wobei wir uns gegen den Vorwurf verwahren, wir würden die Kinder von ihren Eltern entfremden. Unsere Mitarbeiter haben immer nur das Kindeswohl im Auge“, sagt Ackerl.
Österreichweit ist das Handeln der Jugendämter in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten: die Jugendämter würden einerseits „zu lax“ handeln, in anderen Fällen aber weit übers Ziel hinausschießen. Das Justizministerium plant ein Familienrechtspaket, um die Verfahren zu beschleunigen und den betroffenen Eltern einen besseren Rechtsschutz zu ermöglichen.
Straßburger Richter befasst
„Es ist für die Eltern ein Riesen-Unterschied, ob ihre Kinder für mehrere Tage oder mehrere Monate wegkommen“, sagt ein Sprecher von Ministerin Beatrix Karl (ÖVP). Künftig soll es zur Klärung der Rechtmäßigkeit erfolgter Kindesabnahmen bereits vorläufige Gerichtsentscheide geben, auch wenn noch keine Gutachten über den Fall vorliegen. Anlass für die Reaktion des Ministeriums dürfte ein beim Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg anhängiger Tiroler Fall sein. Das Jugendamt nahm den Eltern die Kinder weg mit der Begründung, es bestehe Missbrauchsverdacht. Was sich im Nachhinein aber als falsch erwies. Monate verstrichen, ehe die Justiz die Vorwürfe entkräftete.
Jugendwohlfahrt