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Junger Linzer dürfte Amoklauf in Deutschland verhindert haben

Von nachrichten.at/apa   06.April 2017

Der Verdächtige wurde mit einem Zugriff der deutschen Polizei Mittwochfrüh festgenommen. Bei ihm wurden Waffen, ein Abschiedsbrief und eine Todesliste mit Namen der geplanten Opfer sichergestellt.

Aufgeflogen sind die Pläne für den Amoklauf durch einen zufälligen Internet-Chat des 16-jährigen Linzer Schülers mit einem Gleichaltrigen aus Uslar im niedersächsischen Landkreis Northeim in der Nacht auf Mittwoch. Bei weiteren Kontakten schickte der Deutsche auch Fotos von Waffen und berichtete, dass er einen Amoklauf an seiner Schule plane. Der Linzer sammelte in diesem Online-Dialog so viele Informationen wie möglich. Damit ging er zur Polizeiinspektion Kleinmünchen und erzählte alles den dort diensthabenden Beamtinnen. Diese nahmen den Sachverhalt auf, sicherten alle vorhandenen Daten und schlugen Alarm.

Die oberösterreichischen Sicherheitsbehörden nahmen Kontakt mit dem Polizeikooperationszentrum Passau auf. Erst kürzlich war zwischen Deutschland und Österreich vereinbart worden, dass es durch eine völkerrechtliche Vereinbarung künftig aus einem provisorischen in den Dauerbetrieb übergehen soll.

Waffen und Abschiedsbrief gefunden

Die Deutschen gründeten sofort einen Sonderstab. Dieser konnte mit den bekannten Daten den Verdächtigen ausforschen. Mittwochfrüh gaben die Ermittler grünes Licht für den Zugriff. Der 16-Jährige aus Uslar wurde daheim festgenommen. Bei ihm wurden Waffen, ein Abschiedsbrief und eine Liste mit Namen der geplanten Opfer sichergestellt. Der Schüler ist geständig. Als Motiv für die beabsichtigte Tat gab er seinen Frust darüber an, dass er gemobbt worden sei. Ihm werden Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten vorgeworfen.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte in einer ersten Reaktion: "Dieser Vorfall hat gezeigt, wie wichtig das Polizeikooperationszentrum Passau für die rasche und unbürokratische Zusammenarbeit zwischen Österreich und Deutschland ist." Er dankte zudem dem jungen Mann für seine Zivilcourage und den Linzer Polizistinnen für ihr effizientes Vorgehen um einen Amoklauf zu verhindern.

Täter planen "Schoolshootings" meist genau

Amokläufe und andere Fälle von Waffengewalt kommen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens vor. Besonders häufig werden Bildungseinrichtungen attackiert. Solche "Schoolshootings" stellen eine Sonderform unter den Amokläufen dar, da sie seltener aus "blindwütiger Raserei" heraus begangen werden.

Fast alle Täter hatten sich zuvor bereits gedanklich mit der Gewalttat beschäftigt und diese oft auch geplant, berichten Experten. Aus Untersuchungen in den USA, wo Schulen besonders häufig Schauplätze für buchstäbliche Massaker wurden, weiß man, dass Opfer teilweise bewusst ausgewählt und regelrecht hingerichtet worden sind, oder es existierten sogar "Todeslisten". Die jugendlichen Täter fühlten sich ausgegrenzt und wollten sich an einer abweisenden Welt durch ein blutiges Finale rächen, in dem sie dann selbst untergehen.

Auch ein laufendes deutsches Forschungsprojekt soll Amokläufe und "Schoolshootings" detailgenau untersuchen. "Zwar kommen derartige Taten in unseren Schulen insgesamt sehr, sehr selten vor, aber dennoch liegen wir in Deutschland gleich nach den USA auf Platz zwei", sagte Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin bei der Vorstellung des Projekts "Target" im Jahr 2013. Je nach Definition gab es damals seit 1999 in Deutschland elf bis zwölf tödliche Schul-Amokläufe, begangen von jugendlichen Tätern.

Beispiele für Amokläufe an Schulen in Deutschland

März 2009: Ein 17-Jähriger erschießt in Winnenden und Wendlingen in Baden-Württemberg 15 Menschen. Der Amoklauf beginnt in der Albertville-Realschule, wo er zwölf Leichen hinterlässt. Auf der Flucht erschießt er einen Mann und zwingt einen weiteren zu einer Autofahrt in das 40 Kilometer entfernte Wendlingen. Dort erschießt er in einem Autohaus einen Kunden sowie einen Verkäufer. Als die Polizei ihn stellt, tötet er sich selbst.

November 2006: In Emsdetten eröffnet ein 18-Jähriger das Feuer in seiner ehemaligen Schule. Mehrere Menschen werden verletzt, bevor der Täter Selbstmord begeht.

April 2002: Mit Pistole und Pumpgun stürmt ein ehemaliger Schüler das Erfurter Gutenberg-Gymnasium und tötet 16 Menschen: zwölf Lehrer, zwei Schüler, die Sekretärin und einen Polizisten. Anschließend erschießt er sich selbst. Der 19-Jährige war zuvor der Schule verwiesen worden. Er war Mitglied eines Schützenvereins.

Februar 2002: Im bayerischen Freising erschießt ein Schüler nach dem Rauswurf aus einer Wirtschaftsschule drei Menschen und tötet sich anschließend selbst.

Durch Mobbing in der Schule motiviert gewesen sein dürfte der Amoklauf eines Jugendlichen vom vergangenen Sommer in München. Zunächst hatte es sogar Terrorverdacht gegeben.

Juli 2016: Bei einem Amoklauf in München erschießt ein 18-Jähriger neun Menschen. Die Situation in der Stadt ist stundenlang unklar. Die Polizei geht zunächst von einer "akuten Terrorlage" aus. Durch die Schüsse bei einem Fast-Food-Lokal und einem Einkaufszentrum im Norden Münchens sterben mehrere Jugendliche. Der Täter begeht anschließend Suizid, er litt wohl unter psychischen Problemen. Der Lieferant der illegal im Internet gekauften Waffe wird ausgeforscht und in Untersuchungshaft genommen. Das Motiv für den Amoklauf ist den Ermittlern zufolge Mobbing gewesen. Der Amokschütze sei "über Jahre hinweg" von seinen Mitschülern gemobbt worden.

 

 

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28. März 2024