Infusion vertauscht: Spitalspatient tot

Von Alfons Krieglsteiner   07.Oktober 2017

Nach dem Tod eines Intensivpatienten des LKH Kirchdorf an der Krems hat die Staatsanwaltschaft Steyr Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Der 61-Jährige aus Attnang-Puchheim war am Dienstag in der Uniklinik Wien an Organversagen gestorben, nachdem er am Samstag zuvor im Kirchdorfer Spital eine falsche Infusion erhalten hatte.

Statt Kalium, das auf den Herzrhythmus stabilisierend wirkt, soll ihm ein Pfleger versehentlich Kalzium verabreicht haben, das bei Patienten mit Nierenversagen zur "Blutwäsche" eingesetzt wird.

Der Patient war Samstagmittag mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Intensivstation eingeliefert worden. Bei der Untersuchung wurde ein extrem niedriger Kaliumwert im Blut festgestellt. Deshalb verabreichte ihm einer der vier Pfleger auf schriftliche Anweisung des zuständigen Arztes eine Infusion.

"Die Kalium-Infusionen befinden sich in einem dafür vorgesehenen Medikamentenschrank", sagt Oswald Schuberth, Ärztlicher Leiter des LKH Kirchdorf. Der Pfleger öffnete eine der mit jeweils zwölf Infusions-Gebinden gefüllten Medikamentenschachteln und nahm eines heraus. Der gesamte Inhalt wurde dem Patienten anschließend verabreicht.

 

Video: Falsche Medikation - Weitere Verdachtsfälle

 

Doch am Abend hatte sich dessen Zustand nicht gebessert. Im Gegenteil. "Wir haben sofort eine Blutprobe genommen und dabei einen stark erhöhten Kalzium-Wert festgestellt", so Schuberth. Daraufhin wurden die Gebinde in der vom Pfleger angegebenen Schachtel überprüft. "Dabei mussten wir feststellen, dass sich darin Kalzium-Gebinde befanden", so Schuberth. Die Namensetiketten seien zwar verschieden, der Form nach seien die Flaschen aber kaum zu unterscheiden. Wie es zu der falschen Einordnung kommen konnte, ist noch unklar.

Drei Tage versuchte man im LKH Kirchdorf, das drohende Organversagen des Patienten mit hochdosierter Kreislauftherapie in den Griff zu bekommen, auch externe Experten der Vergiftungszentrale wurden beigezogen. Schließlich musste er künstlich beatmet werden. Am Montag entschloss man sich zur Überstellung des Patienten in die Wiener Klinik. Doch auch dort konnten ihm die Ärzte nicht mehr helfen.

Pfleger wurde beurlaubt

"Das gesamte Pflegeteam des LKH Kirchdorf wird jetzt von unserem Krisenmanagement unterstützt", sagt gespag-Vorstandsmitglied Harald Geck. Man habe auch die Gesundheitsbehörden der Landesregierung informiert. Der betroffene Pfleger wurde beurlaubt. "Er hätte auf das Etikett schauen sollen, das hat er leider nicht getan", sagt Primar Schuberth.

 

Video: Karl Lehner von der gespag, die an einer lückenlosen Aufklärung der Medikamentenverwechslung interessiert ist, gibt einen Überblick über die Geschehnisse und spricht über Konsequenzen.

 

 

Reaktionen: Die Verantwortlichen des Landeskrankenhauses Kirchdorf und der gespag sind tief bestürzt

"Der Pfleger hätte auf das Etikett schauen sollen, das hat er leider nicht getan. Es handelt sich um einen tragischen Einzelfall, eine Verkettung von mehreren Fehlern.“
Oswald Schuberth, Ärztlicher Leiter des LKH Kirchdorf

 

"Zu unserem tiefen Bedauern ist es zu diesem Todesfall gekommen. Wir haben den Angehörigen unsere Anteilnahme ausgedrückt und stehen mit ihnen in ständigem Kontakt.“
Karl Lehner, Vorstandssprecher der gespag

 

"Die Mitarbeiter der Pflegeabteilung im Krankenhaus Kirchdorf sind tief betroffen, sie werden nach wie vor von unserem Krisenmanagement psychologisch betreut.“
Harald Geck, Vorstandsmitglied der gespag

 

Video: Fatale Verwechslung in Spital in Oberösterreich

Staatsanwaltschaft ermittelt in drei weiteren Fällen im Kirchdorfer Spital

Am vergangenen Mittwoch ist die „Sachverhaltsdarstellung“ aus dem Landeskrankenhaus Kirchdorf bei der Staatsanwaltschaft Steyr eingelangt. „Wir haben ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, bestätigt Behördensprecherin Julia Rauscher. Der Leichnam des 61-jährigen Patienten wird in der Gerichtsmedizin in Wien obduziert.

Die Angehörigen des verstorbenen Attnangers waren schon Sonntagnachmittag über seinen bedrohlichen Zustand informiert worden. Psychologische Hilfe haben sie allerdings abgelehnt.

Dem beschuldigten Pfleger droht ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung. Ein Delikt, das mit bis zu einem Jahr Haft bedroht ist. Bei „grober Fahrlässigkeit“ erhöht sich der Strafrahmen auf drei Jahre. „Auf Vorsätzlichkeit gibt es keinen Hinweis“, betont Rauscher. Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen.

„Wir mussten leider herausfinden, dass es vergangene Woche drei weitere Verdachtsfälle gab“, sagt Spitalschef Oswald Schuberth. Zwei der betroffenen Patienten hätten keine Folgeschäden davongetragen. Eine hochbetagte Patientin sei hingegen verstorben. Sie sei aber bereits zuvor in einem sehr schlechten Zustand gewesen, „wir hatten schon beschlossen, auf weitere Behandlungen zu verzichten“. Auch in diesen drei Fällen hat die Staatsanwaltschaft gestern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Um solche fatalen Verwechslungen künftig auszuschließen, wird die gespag die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. „Vor allem müssen die Infusionsflaschen leichter unterscheidbar sein“, sagt Vorstandssprecher Lehner. Die Kontrollen würden verstärkt. (kri)