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"Ich habe mit den Tränen gekämpft"

Von Alfons Krieglsteiner   09.Jänner 2015

Am Donnerstag um 12 Uhr läuteten die Sterbeglocken von Notre Dame. Die Bevölkerung von Paris gedachte in einer Schweigeminute der Opfer des Terroranschlags auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", bei dem am Mittwoch gegen 11.30 Uhr zwölf Menschen ermordet worden waren. Auch die Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums hatten sich im Garten des Gebäudekomplexes im 5. Arrondissement versammelt, darunter Annemarie Ohler (54) aus Vorchdorf. Seit 25 Jahren ist sie im Naturhistorischen Museum angestellt, zuständig für die Amphibiensammlung: "Ich habe mit den Tränen gekämpft, unsere Trauer ist unbeschreiblich."

Die Sicherheitsmaßnahmen seien nach dem Anschlag enorm verstärkt worden. Vor den Eingängen zum Museum wachen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte, jeder Besucher muss seine Papiere vorweisen. Auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen patrouillieren Polizisten. Die Stimmung sei "sehr nervös": Gestern gab es mehrmals Bombenalarm in der Metro.

25 Minuten sind es mit der Metro von dem südlich der Seine gelegenen Museum bis zum Schauplatz des Massakers im nördlich angrenzenden 11. Arrondissement. Am Abend nach dem Anschlag ist Ohler dort vorbeigegangen, auf dem Weg nach Hause "in einem ruhigen, asiatisch geprägten Viertel". Die Straßen waren abgesperrt, vor allem junge männliche Lenker wurden kontrolliert.

"Man darf jetzt nicht anfangen, Angst zu haben, sonst wird man wirklich zum Opfer", sagt Ohler. Für die Menschen sei der Tod der beliebten Journalisten, "als hätten sie jemanden aus der Familie verloren". Sie sieht den Grund für die wachsende Radikalisierung junger Moslems in einem "sozialen Problem". In der Vorstadtjugend mache sich das Gefühl breit, eine No-future-Generation zu sein – eine tickende Zeitbombe. In manchen Bezirken würden sich die Radikalen bereits als Sittenwächter aufspielen: "Wenn dort eine Frau einen Rock trägt, wird sie Zielscheibe von Aggressionen."

Bekenntnis zur Pressefreiheit

"Die Täter wollen einen Keil in die Gesellschaft treiben", sagt die Linzerin Christine Lins (40), Generalsekretärin des Europäischen Rates für erneuerbare Energie in Paris. Die Nachricht von dem Anschlag habe sie am Mittwoch gegen 12 Uhr via E-Mail erreicht, "in dem uns nahegelegt wurde, unnötige Botengänge in der Stadt zu vermeiden". Danach wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen.

Die Lage sei seither "angespannt, aber ruhig". Mittwochabend habe sie fünf Metrostationen vom Anschlagsort entfernt in einem Restaurant zu Abend gegessen. "Die Leute wirkten gelassen, nur die Zugänge zur Metro waren gesperrt." Gestern fanden sich Tausende zu Kundgebungen zusammen: "Sie haben ein Bekenntnis zur Pressefreiheit abgelegt und gezeigt, dass sie sich nicht einschüchtern lassen."

3 Fragen an Andreas Pilsl, Landespolizeidirektor OÖ

Eine konkrete Gefahr gibt es laut dem obersten Polizeichef in Oberösterreich nicht, aber die Exekutive brauche mehr Mittel zur Überwachung gefährlicher Personen.

1 Was bedeutet der Anschlag in Paris für uns Oberösterreicher? Sind wir in Gefahr?
Es gibt keine uns bekannte konkrete Gefährdung. Nach dem Anschlag in Paris haben wir den Fokus auf französische Einrichtungen gerichtet. Aber die sozialen Gräben, die es dort gibt, haben wir zum Glück nicht.

2 Wie kann sich die Polizei auf diese mögliche Gefahr vorbereiten?
Wir haben schon vor Monaten kritische Infrastrukturen, also jene, die das Zusammenleben beeinflussen, definiert, und die werden verstärkt bestreift. Wir sind auch mit unserem neuen Einsatz- und Lageraum sehr gut vorbereitet. Aber das ist nur eine Reaktion, kann also wenig verhindern.

3 Welche Mittel stehen der Exekutive zur Prävention zur Verfügung?
Unser Problem ist, dass uns technische Mittel aufgrund der Rechtslage fehlen. Wir dürfen etwa keine Funkzellen auswerten, um Handy-Verknüpfungen auszuwerten, oder Zusammenhänge mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung herstellen. Ich will keinen Überwachungsstaat, aber um die Freiheit und Sicherheit aller zu gewährleisten, müssen wir in die Freiheit Einzelner eingreifen. Wenn die Bevölkerung das nicht will, muss sich die Polizei daran halten. Aber auch bei uns gibt es Heimkehrer aus Syrien und jene, die junge Menschen für den Krieg rekrutieren wollen. Wenn wir eine Person als gefährlich einschätzen, können wir sie höchstens neun Monate beobachten. Was dann ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Das sollte die Bevölkerung wissen.

 

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25. April 2024