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Hitler-Haus abreißen? Empörung bei Historikern

Von Gerald Winterleitner und Alfons Krieglsteiner   19.Oktober 2016

Am Montag war Innenminister Wolfgang Sobotka (VP) noch mit seiner Aussage, das Geburtshaus in der Vorstadt 15 in Braunau werde abgerissen, überraschend vorgeprescht und, wie in den OÖNachrichten berichtet, sofort auf Widerstand gestoßen. Gestern ruderte Sobotka nach massiver Kritik an einem allfälligen Abriss wieder zurück.

Der empörte Aufschrei von Historikern und Mitgliedern der von Sobotka selbst eingesetzten dreizehnköpfigen Expertenkommission "zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers" hatte nicht lange auf sich warten lassen. "Wir sind sehr überrascht von der bisherigen Vorgehensweise des Herrn Minister", sagt Historiker Oliver Rathkolb von der Universität Wien. Als Ressortchef könne Sobotka natürlich die politische Verantwortung für den Abriss übernehmen, "aber auf uns berufen darf er sich nicht!"

Man habe dezidiert keinen Abriss empfohlen: "Das würde einer Verleugnung der NS-Geschichte gleichkommen", erklärt Rathkolb in einem Schreiben an die OÖN gemeinsam mit Clemens Jabloner, dem Ex-Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs. Beide sind Mitglieder der Expertenkommission. Diese hatte mehrere Vorschläge zur Entmystifizierung dieses Ortes gemacht, die den Wiedererkennungswert und die Symbolkraft des Hauses unterbinden sollen.

Eine museale Nutzung hatte die Kommission nicht befürwortet, ebenso eine Verwendung mit edukativer Zielrichtung als ungeeignet angesehen. Vielmehr habe man eine sozial-karitative oder behördliche Nutzung empfohlen, sagt Rathkolb. Zuvor hatten bereits zwei weitere Kommissionsmitglieder, der Braunauer Bürgermeister Hannes Waidbacher (VP) und Cornelia Sulzbacher, Leiterin des oö. Landesarchives, dem Minister in den OÖNachrichten widersprochen.

Wettbewerb von Architekten

"Wie man einen Wiedererkennungswert des Hauses verhindern kann, müssen die Architekten klären", sagt der Grazer Historiker Stefan Karner, ebenfalls Mitglied der Kommission: "Was immer dort entsteht, muss im Kontext mit der Geschichte stehen."

Sobotka relativierte mittlerweile seine Aussagen: Das Haus solle "vor allem in der Außenform" nicht mehr erkennbar sein. Ob man das als "Abriss" bezeichnen könne, darüber lasse sich diskutieren. Wesentlich sei, dass es "keine Erinnerung an Hitler mehr zeigen soll". Für die Umgestaltung werde es einen Architektenwettbewerb geben. Über eine Nachnutzung werde man gemeinsam mit der Stadt Braunau entscheiden. Fix sei, "dass der Ort keine museale Erinnerungsstätte werden soll".

Gestern jedenfalls wurde vom Innenausschuss des Nationalrates die bereits Mitte Juli im Ministerrat abgesegnete Enteignung und Entschädigung der Besitzerin des unter Denkmalschutz stehenden Hauses auf den parlamentarischen Weg gebracht.

Wäre der Abriss des Hitlerhauses mit dem Denkmalschutz vereinbar? Die Abteilung für Denkmalschutz im Bundeskanzleramt erklärte, dass "der Denkmalschutz keine ‘Käseglocke’ darstellt." Vielmehr sei abzuwägen, ob das öffentliche Interesse an einem Abriss größer sei als die "unveränderte Erhaltung". Im Bundesdenkmalamt, das darüber befinden muss, war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Reaktionen

"Der Minister kann die politische Verantwortung für den Abriss übernehmen. Aber auf uns berufen darf er sich nicht.“
Oliver Rathkolb, Zeithistoriker

„Abriss oder nicht: Entscheidend wird sein, dass es keinen Wiedererkennungswert gibt. Das Wie ist Sache der Architekten.“
Stefan Karner, Zeithistoriker, Graz

„Schon im Gesetzesentwurf hieß es verklausuliert, dass der Denkmalschutz hier keine große Rolle spielt.“
Ingomar Engel, Stadtverein Braunau

„Ein Abriss würde das eigentliche Problem – Braunau als Geburtsort Hitlers – sicher nicht lösen.“
Florian Kotanko, Verein für Zeitgeschichte Braunau

 

 

 

 

 

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