Grenzgänger zwischen Kitsch und Kokain

Von Von Christina Tropper   11.Jänner 2010

Ein stupides Grinsen empfängt den Besucher kurz nach der Grenze. Psychedelische Farben, ein seltsam irres Glitzern in den Augen. Und man spürt einen Hauch von Wahnsinn. Nein, nicht etwa der lokale Drogendealer schaut da so vernebelt drein, es ist Guido der Gartenzwerg. Gleich nebenan steht Bambi, die Mutter Maria und ein Vogelhäuschen aus Holz. Hier, in Vyssi Brod, bei den vietnamesischen Verkaufsständen ist die Welt noch heil. Eine Märchenidylle, in der das Gute siegt und das Böse noch keinen Platz gefunden hat. Hier schnäuzt man höchstens Zwergerl und kein Kokain. Und das soll auch so bleiben.

Trung Hang zeigt stolz sein Sortiment: Plastikspielzeug, Porzellanfiguren für den Garten und gefälschte Markenbekleidung. Wer sich jetzt Raubkopien von Kinofilmen erhofft, wird herb enttäuscht. Und von Drogen hat der kleine, sympathische Vietnamese bisher nur im Fernsehen gehört. Obwohl er auch seinen Gartenzwergen unter Sammlern ein hohes Suchtpotenzial bestätigt.

„Die Kontrollen werden nicht extra verschärft“, sagt Oberösterreichs Sicherheitsdirektor Alois Lißl. Denn auch wenn die Verlockungen an der österreichisch-tschechischen Grenze schier grenzenlos seien, hielte sich der sündige Grenzverkehr in Grenzen. „Die tschechischen Kollegen erwarten zwar, dass sich ein Drogenhandel entwickeln wird – aber die Tschechen sind gut aufgestellt und gerüstet.“ Und der Chef aller oberösterreichischen Beamten lobt vor allem die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern.

Helena Tomova kennt sich jedenfalls mit weißem Pulver aus. Sie betreibt die Zuckerbäckerei in Vyssi Brod – sechs Kilometer entfernt von der österreichischen Grenze. Von Kokain hat sie noch nie etwas gehört. Auch wenn die Regierung in Prag nun neue Höchstgrenzen festgelegt hat: So ist beispielsweise der Besitz von 15 Gramm Marihuana, von vier Ecstasy-Pillen oder einem Gramm Kokain seit heuer legal (die OÖN haben berichtet). Die seit 1. Jänner gültigen Bestimmungen orientieren sich an Gerichtsentscheidungen und einer Empfehlung des Justizministeriums.

Kein Sündenpfuhl mehr

Der Grenzkontrollposten ist jedenfalls verwaist. Nur einmal in der Woche schauen die Beamten von Bad Leonfelden hier herauf ins verschneite Beinahe-Niemandsland (siehe Interview unten). Und sowieso ist der Verkehr ziemlich überschaubar. Gartenzwerg-Verkäufer Trung Hang hat schon bessere Tage gesehen: „Die Österreicher bleiben aus – nur vor Weihnachten ist das Geschäft gut gegangen“, sagt der junge Mann. Auch das Casino, die Herna-Bar, gleich nach der Grenze ist verwaist. Nicht einmal ein Gast ist drinnen. Es riecht nach abgestandenem Rauch, der sich hartnäckig in dem graubraunen Teppichboden hält. Der Kellner zeigt nur wie die Automaten funktionieren, indem er immer wieder auf einen Knopf drückt.

Der Heimweg führt wieder vorbei an den offenen, vietnamesischen Verkaufsständen. Die Polizei winkt herüber – und auch wenn so mancher der Zwergerlsucht nachgegeben hat, strafbar macht sich damit jedenfalls niemand…