Genugtuung fühlt sich anders an
Pater A. hatte das Leben, das er wollte, seine Opfer werden das nie haben. Leitartikel von Helmut Atteneder.
August M., besser bekannt als „Ex-Pater A.“, geht in die Geschichte ein. Es ist ein unrühmlicher Platz. Erstmals in der Rechtsgeschichte Österreichs wurde ein Geistlicher schuldig gesprochen, weil er Unmündige, Schüler, Zöglinge jahrelang sexuell schwer missbraucht hat. Weil er wehrlose Unmündige im Benediktinerstift Kremsmünster gequält und vernachlässigt hat, weil er sein Autoritätsverhältnis missbraucht hat, und weil er unerlaubt eine Pump-Gun besessen hat. Er hat das Urteil so hingenommen, wie er seinen Zöglingen gegenüber aufgetreten ist. Ohne erkennbare Reue.
Zwölf Jahre Haft stehen gegen mindestens 24 verpfuschte Leben. Junge Leben, auf die August M. zugepackt hat in einer Art und Weise, die an dieser Stelle aus Pietätsgründen nicht erwähnt werden soll. August M. ist 79 Jahre alt, er hat sein Leben gehabt. Ein Leben als nach außen hin anerkannter Geistlicher, als Lehrer. Als Täter. Seine dunkle Seite kannten wenige. Und die haben leider nichts gesagt. Seine Opfer, allesamt zwischen zehn und 18 Jahre alte Burschen, haben seinetwegen nicht so leben können, wie sie es wollten, wie sie es sich verdient hätten. Ohne Gewalt.
Ihr Leben ist an einer Kreuzung abgebogen, hat einen Weg genommen, den sie niemals freiwillig eingeschlagen hätten. Weil an dieser Kreuzung ein Mensch gestanden ist, vor dem sie ehrfürchtig waren und dem sie vertraut haben. Pater A.
Aber auch deshalb, weil sie sich niemandem anvertrauen konnten oder weil ihnen niemand geglaubt hat. Diese harte Strafe ist ein wichtiges Zeichen. Auch wenn August M. möglicherweise – aufgrund seines Alters – für haftunfähig erklärt werden wird. Ein Zeichen dafür, dass jeglicher Missbrauch von Kindern und Jugendlichen niemals ein Kavaliersdelikt war und niemals als solches gesehen werden darf. Das Urteil gegen den ehemaligen Pater muss als Anlass genommen werden, Augen und Ohren offen zu halten. Denn Kindesmissbrauch gehört auch an Tagen wie diesen zum Alltag.
Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kirche ist vor dem Gesetz abgeschlossen. Juristisch gesehen gilt für August M. immer noch die Unschuldsvermutung. Menschlich und moralisch schon lange nicht mehr. Das Urteil gegen den 79-Jährigen ist irgendwie vergleichbar mit einem befreienden Lachen, das im Hals stecken geblieben ist. Weil es die Opfer gibt. Genugtuung fühlt sich anders an.