Gastkommentar von Gunther Trübswasser: Rollstuhlfahrer im „Tiefschnee“
Gut, dass es über das Wetter keine Volksabstimmungen geben kann, vor allem über das, was gelegentlich im Übermaß aus den Wolken fällt. Es ist eben Winter! Was die einen als „Geschenk des Himmels“ betrachten, ist für die anderen schlichtweg der ...
Gut, dass es über das Wetter keine Volksabstimmungen geben kann, vor allem über das, was gelegentlich im Übermaß aus den Wolken fällt. Es ist eben Winter! Was die einen als „Geschenk des Himmels“ betrachten, ist für die anderen schlichtweg der „Vorhof zum Fegefeuer“: Schneeberge, nichts als Schneeberge und das mitten im Ort! Abhängig vom Alter, von sportlichen Fähigkeiten, ob mit größerem Gepäck, mit Kinderwagen oder gar in einem Rollstuhl, die Meinungen über die weiße Pracht an einem unschuldigen Wintermorgen können unterschiedlicher nicht sein. Als Benutzer eines Rollstuhls fühle ich mich eher im Fegefeuer, denn im Himmel.
Nehmen wir an, die Gehsteige sind einigermaßen schneefrei und die Straßen vom Winterdienst befahrbar gemacht. So sind beide Verkehrsflächen für sich betrachtet gut benützbar, dazwischen aber herrscht blankes Chaos. Wer nun den Wunsch hat, ausgerechnet hier die Straßenseite zu wechseln, landet prompt im polaren Packeis des innerstädtischen Schneemanagements. Kein Vor oder Zurück, die Räder drehen durch, hilfreiche Mitmenschen kippen einen beinahe aus dem Stuhl, zeigen Anteilnahme, schimpfen auf die Schneeräumung, „nichts geht mehr“! Und dabei ist „nur“ Winter. Vorbeikommende Kinder freuen sich, endlich auch in der Stadt eine zünftige Schneeballschlacht veranstalten zu können. Oder nehmen wir zum Beispiel die sinnvolle Einrichtung der so genannten „Behindertenparkplätze“.
Sie wurden für Menschen, die nicht weit laufen können oder mit einem Rollstuhl unterwegs sind, an frequentierten Plätzen eingerichtet. Warum aber scheinen es Behindertenparkplätze an sich zu haben, dass ausgerechnet sie regelmäßig als Zwischendeponien für beträchtliche Schneemassen auserkoren werden? Gletscherzungen, wie sie bedauerlicherweise wegen des Klimawandels in den Alpen stetig zurückgehen, lieben es offenbar, sich Winter für Winter auf Behindertenparkplätzen zu versammeln. Und weil Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen selten Glaziologen sind, dafür aber öfter in einer Stadt oder im Ortszentrum zu tun haben, ist ein schneereicher Winter für sie leider ein Härtefall. Die Straßenverwaltungen seien höflich, aber dringend daran erinnert, und Kinder, Wintersportfans sowie Tourengeher mögen mir verzeihen.
Selbst wenn AutolenkerInnen noch jedes Jahr vom "plötzlichen Wintereinbruch" überrascht werden und häufig bemängeln, dass just die von Ihnen benützten Straßen nicht/nur schlecht geräumt wurden: Fakt ist, zuerst wird der Weg für die Autos freigemacht und dann kommt, auch der uneinheitlichen Zuständigkeit wegen, die Räumung von Wegen für Menschen. Und zuletzt dann die Räumung von Radwegen. Oft wird auch der Schnee vom Gehsteig auf den Radweg befördert oder der Schneegatsch von der Straße aufs Trottoir. Auch die Ausstiege aus Öffentlichen Verkehrsmitteln gestalten sich mitunter als schwierige Übung, weil z.B. der Bus nicht an die Gehsteigkante heranfährt und/oder die Haltestelle nicht ausreichend geräumt ist und Sprünge erforderlich wären, die allerdings mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen bzw. Gipshaxn oder für alte bzw. gebrechliche Personen schwer zu bewerkstelligen sind. Letztlich bestätigt Trübswassers Kommentar die Vorherrschaft der "Auto-Mobilität" gegenüber den Menschen.