"Es reicht nicht, dass man Kinder im Turnen nur irgendetwas machen lässt"

Von Roland Vielhaber   10.Februar 2018

Sie ist leitende Wissenschafterin an der Kepler-Universität und beschäftigt sich mit dem Wissenstransfer aus den Neurowissenschaften. Die Welserin Manuela Macedonia war aber einst auch eine talentierte Läuferin, heute trainiert sie täglich ihren Körper. Dass der Turnunterricht in Neuen Mittelschulen oft nicht von Turnlehrern gestaltet wird, stört die gebürtige Italienerin massiv. Derzeit schreibt Macedonia ein Buch über den Einfluss von regelmäßiger Bewegung auf die kognitiven Fähigkeiten (Erscheint im Herbst im Brandstätter-Verlag).

OÖN: Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Sport auf die kognitiven Fähigkeiten. Wie geht es Ihnen, wenn Sie hören, dass Kinder im Turnunterricht Lehrer haben, die nicht die entsprechende Ausbildung haben?

Manuela Macedonia: Ich bin entsetzt darüber, dass es kein Gesamtkonzept für den Sportunterricht gibt. Wir wissen, dass Kinder viel mehr als die jetzigen Erwachsenen unter Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Störungen leiden. Es reicht also nicht, dass man die Kinder im Turnen irgendetwas machen lässt, nur damit die Zeit verstreicht. Noch dazu, da bekannt ist: Kinder, die sich regelmäßig bewegen, haben auch die besseren schulischen Leistungen. Sie sind aktiver und leistungsfähiger.

Liegt es vielleicht daran, dass der Sport keinen Stellenwert in der Gesellschaft hat?

Ein Marcel Hirscher wird schon angehimmelt. Dann geht man vielleicht sogar mehr Ski fahren, weil man seine Erfolge im Fernsehen sieht. Aber der Sport generell hat wenig Stellenwert in der Gesellschaft, nicht nur in Österreich. Die Leute essen gerne, oder machen Städteausflüge. Wenn man sie aber auf den Sport anspricht, hört man: Dafür hätten sie keine Zeit. Weil die Menschen nicht wissen, wie wichtig der Sport ist.

Wie wichtig ist er?

Bewegung ist Prävention gegen so viele Krankheiten. Und gegen das kognitive Altern. Wir alle wollen alt werden. Das geht aber nicht, indem man nur die Daumen dreht. Es gibt auch noch keine Tabletten gegen das Altern – auch wenn uns die Pharmaindustrie etwas anderes erzählt. Auch ein Gehirnjogging am Computer, bei dem man irgendwelche Formen herumschiebt bringt nichts, außer dass Konzerne Gewinne schreiben. Das heißt: Wenn wir etwas gegen unser kognitives Altern oder gegen Alzheimer unternehmen wollen, dann gibt es nur einen einzigen Weg: Regelmäßig Bewegung außerhalb der Komfortzone.

Wie schaut die ideale Turnstunde in der Schule aus Ihrer Sicht aus?

Laufen, wenn es jeden Tag stattfindet. Dafür braucht man keine Geräte, ja nicht einmal eine Turnhalle. Es sollte mit Kindern jeden Tag ins Freie gegangen werden. Bei Schnee. Bei Wind. Es schadet ja nichts.

Dafür braucht es aber keinen Turnlehrer.

Den braucht es, damit er ein Programm aufstellt, dass er sozusagen mehrere Fertigkeiten trainiert. Aber das geht nicht in zwei Turn-Stunden in der Woche. Ein Turnlehrer kann mir in dieser Zeit höchstens zeigen, wie ich mit dem Gerät umgehe, lernen werde ich es in dieser kurzen Spanne nicht richtig. Der Sportunterricht müsste also eigentlich ausgeweitet werden. Ich finde, es sollte jeden Tag eine Sportstunde geben, das wäre gerade richtig. Dann hätten wir genug Bewegung, weil die Kinder heute im urbanen Gefüge kaum mehr ins Freie können. Ich bin noch auf dem Land aufgewachsen, wir sind von der Schule heim, haben gejausnet und sind raus. Aber wir hatten natürlich auch nicht Teufelsgegenstände wie ein Handy. Deshalb müsste die Schule dafür sorgen, dass diese strukturierte Bewegung stattfindet. Ohne Wenn und Aber.