"Es reicht nicht, dass man Kinder im Turnen nur irgendetwas machen lässt"
LINZ. JKU-Wissenschafterin Manuela Macedonia über die Auswirkungen von Sport auf Geist und Körper und ihren Ärger über ein fehlendes Gesamtkonzept für den Sportunterricht.
Sie ist leitende Wissenschafterin an der Kepler-Universität und beschäftigt sich mit dem Wissenstransfer aus den Neurowissenschaften. Die Welserin Manuela Macedonia war aber einst auch eine talentierte Läuferin, heute trainiert sie täglich ihren Körper. Dass der Turnunterricht in Neuen Mittelschulen oft nicht von Turnlehrern gestaltet wird, stört die gebürtige Italienerin massiv. Derzeit schreibt Macedonia ein Buch über den Einfluss von regelmäßiger Bewegung auf die kognitiven Fähigkeiten (Erscheint im Herbst im Brandstätter-Verlag).
OÖN: Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Sport auf die kognitiven Fähigkeiten. Wie geht es Ihnen, wenn Sie hören, dass Kinder im Turnunterricht Lehrer haben, die nicht die entsprechende Ausbildung haben?
Manuela Macedonia: Ich bin entsetzt darüber, dass es kein Gesamtkonzept für den Sportunterricht gibt. Wir wissen, dass Kinder viel mehr als die jetzigen Erwachsenen unter Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Störungen leiden. Es reicht also nicht, dass man die Kinder im Turnen irgendetwas machen lässt, nur damit die Zeit verstreicht. Noch dazu, da bekannt ist: Kinder, die sich regelmäßig bewegen, haben auch die besseren schulischen Leistungen. Sie sind aktiver und leistungsfähiger.
Liegt es vielleicht daran, dass der Sport keinen Stellenwert in der Gesellschaft hat?
Ein Marcel Hirscher wird schon angehimmelt. Dann geht man vielleicht sogar mehr Ski fahren, weil man seine Erfolge im Fernsehen sieht. Aber der Sport generell hat wenig Stellenwert in der Gesellschaft, nicht nur in Österreich. Die Leute essen gerne, oder machen Städteausflüge. Wenn man sie aber auf den Sport anspricht, hört man: Dafür hätten sie keine Zeit. Weil die Menschen nicht wissen, wie wichtig der Sport ist.
Wie wichtig ist er?
Bewegung ist Prävention gegen so viele Krankheiten. Und gegen das kognitive Altern. Wir alle wollen alt werden. Das geht aber nicht, indem man nur die Daumen dreht. Es gibt auch noch keine Tabletten gegen das Altern – auch wenn uns die Pharmaindustrie etwas anderes erzählt. Auch ein Gehirnjogging am Computer, bei dem man irgendwelche Formen herumschiebt bringt nichts, außer dass Konzerne Gewinne schreiben. Das heißt: Wenn wir etwas gegen unser kognitives Altern oder gegen Alzheimer unternehmen wollen, dann gibt es nur einen einzigen Weg: Regelmäßig Bewegung außerhalb der Komfortzone.
Wie schaut die ideale Turnstunde in der Schule aus Ihrer Sicht aus?
Laufen, wenn es jeden Tag stattfindet. Dafür braucht man keine Geräte, ja nicht einmal eine Turnhalle. Es sollte mit Kindern jeden Tag ins Freie gegangen werden. Bei Schnee. Bei Wind. Es schadet ja nichts.
Dafür braucht es aber keinen Turnlehrer.
Den braucht es, damit er ein Programm aufstellt, dass er sozusagen mehrere Fertigkeiten trainiert. Aber das geht nicht in zwei Turn-Stunden in der Woche. Ein Turnlehrer kann mir in dieser Zeit höchstens zeigen, wie ich mit dem Gerät umgehe, lernen werde ich es in dieser kurzen Spanne nicht richtig. Der Sportunterricht müsste also eigentlich ausgeweitet werden. Ich finde, es sollte jeden Tag eine Sportstunde geben, das wäre gerade richtig. Dann hätten wir genug Bewegung, weil die Kinder heute im urbanen Gefüge kaum mehr ins Freie können. Ich bin noch auf dem Land aufgewachsen, wir sind von der Schule heim, haben gejausnet und sind raus. Aber wir hatten natürlich auch nicht Teufelsgegenstände wie ein Handy. Deshalb müsste die Schule dafür sorgen, dass diese strukturierte Bewegung stattfindet. Ohne Wenn und Aber.
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Mehr Sport, weniger Geschichtsunterrricht,
mehr Apps und weniger echtes Leben
mehr Autos und immer weniger gehen,
mehr digitales Leben und mehr Körperfett,
mehr Geplärr und seltene weise Worte,
es braucht einem nichts mehr wundern.
Eines schließt das Andere oft nicht aus.
Diese Argument ist eine sogenannte Killerphrase, gerne von den Gewerkschaftern und Demagogen des 20.Jahrhunderts verwendet.
...und ausgebildeter Turnlehrer bedeutet engagierter Turnlehrer und ist garantiert Freunde an der Arbeit...
Und auch nur, wenn pragmatisiert.
Im Turnunterricht fehlt ganz offensichtlich in den meisten Fällen ein mittelfristiger Plan.
Man schaut seit Jahrzehnten zu, ebenso wie beim gesamten verbeamteten Schulsystem, wo man die heile Welt der Pragmatisierten nicht stören will. Offensichtlich wartet man mit Maßnahmen und Verbesserungen, bis es nur mehr Vertragsbedienstete gibt.
Mit der neuen Regierung wird das mit dem Bewegungsmangel auch behoben,
denn wenn überall die GEschwindigkeitslimits herausgeholt werden, dann muss man eh rechtzeitig flüchten, oder man braucht eh kein Training mehr.
Warum nicht täglich 5 Turnstunden?
Den Kindern fehlt der Freiraum ohne Eltern und Schule. (Und oft auch die Großeltern).
In freier Natur herumtollende Kinder haben mit einer Turnstunde pro Tag genug.
Nachdem in unserer Gesellschaftsentwicklung Schule auch in der "Freizeit" einen beträchtlichen Teil für sitzendes Tun beansprucht und die freien Bewegungsräume in den Städten sowieso aber auch am Land immer mehr eingeschränkt werden, wäre der tägliche Sportunterricht wenigstens ein Tropfen auf den heißen Stein.
Kinder und Jugendliche sind nun mal der Spiegel der Gesellschaft. Wenn wir Erwachsene uns aufregen, dass Kinder sich zu wenig bewegen, zu viel Zeit vor "dem Kastl" (= Smartphone, Computer, Spielkonsole, ...) verbringen, dann sei die Frage erlaubt: Wer will denn, dass unsere Kinder das tun und wer ermöglicht ihnen das und wozu? Was erzählen wir denn unserem Nachwuchs über "das Leben" und was alles wichtig(er) wäre?
Wir leben in einer zwiespältigen Welt, senden täglich Doppelbotschaften aus und wundern uns, dass sowohl Unter- als auch Überforderung zunehmen.
"Wir leben in einer Welt, in der ein Narr viele Narren, aber ein weiser Mann nur wenig Weise macht." ~ Immanuel Kant ~
Ich kann dem Artikel einiges abgewinnen, aber im Grunde liegts an den Eltern. Wenn ein Kind erst in der Schule eine Rolle vorwärts oder das Ballfangen lernen muss hat es schon viel verpasst.
Ballfangen lernst nur mehr schwer, Rolle vorwärts ist doch hochgegriffen, oder? Pardon, du meinst Purzelbaum, paßt.
Wo kein Kindergarten ist und keine Nachbarskinder, müssen die Eltern um so aktiver werden.
Müssten!
Schule, speziell die Pflichtschule, sollte meines Erachtens ein, je nach regionalen Möglichkeiten, ein möglichst reiches und breites Bewegungsprogramm bieten, dem bei gutem Willen die überwiegende Mehrheit der Schüler/innen altersgemäß und mit Freude folgen können.
Jede Übertreibung und Überforderung ist fehl am Platz, weil sie kontraproduktiv für das Leben nach der Schule wäre.
Bewegungsdefizite sind natürlich da und werden mehr, diese kann aber nicht die Schule alleine ausgleichen.
Wenn es die vielseitig notwendigen Voraussetzungen für eine tägliche Bewegungsstunde einmal geben sollte, halte ich das für gut.
Eine etwas breiter aufgestellte Grundausbildung der Lehrer/innen - vorwiegend methodisch-didaktisch für BSP - würde dazu dienen, dass auch Nicht-Geprüfte einen passablen BSP-Unterricht leiten können. Solche Lehrpersonen gibt es derzeit auch, aber vielleicht oder wahrscheinlich brauchen wir mehr davon.
Ja, ja, die Schule hat wieder einmal gründlich versagt, die Lehrer/innen natürlich an erster Stelle ....
Immer dieselbe "Masche": Wenn in unserer sich rapid ändernder Gesellschaft etwas nicht oder nicht mehr funktioniert, wie es die neue Situation erfordert, tragen Schule und Lehrer/innen die Schuld.
Die Schule hat neben den üblichen Lehrinhalten i den diversen Fächern alles z leisten: Verkehrserziehg, Sozialerziehg, Medienerziehg, ... und natürlich auch für ausreichend Bewegungserzhg zu sorgen. Dabei sollen d Schüler/innen möglichst dahin gebracht werden, dass sie 3,60 weit springen, d Schlagball 50 m weit werfen, Felgeauf- und Umschwung auf d Reck sowie zumindest Flanke und Wende auf d Barren beherrschen. Unbedingt dazu gehören gediegene Fertigkeiten im alpinen Schilauf. - So die Forderungen diverser "Fachverliebten". Und die Schule hat dafür zu sorgen, dass ....
Und wo kommen die vielen zusätzlichen Stunden her, wer bezahlt sie, wo ist das notwendige Fachpersonal?
Späte Einsicht, der Turnunterricht hat doch die letzten 40 Jahre nicht funktioniert mit wenigen Ausnahmen. Jetzt so zu tun als ob dies ein neues Problem wäre ist schlicht heuchlerisch von den Lehrern und anderen Verantwortlichen. Jeder Junglehrer müsste wohl in Lage sein eine Turnstunde zu leiten sonst ist die Befähigung in Frage zu stellen! Beim Einstellungsprofil darauf achten wäre ein nötiger Ansatz.
Möglicherweise hat es damals begonnen, die Fächer und die Ausbildung zu strikt zu trennen und nicht wieder zusammenzuführen (Koordination des Stoffes an der Schule).