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Empathie ist nicht nur Mitgefühl, sondern auch eine Sache der Vernunft

29. September 2018, 00:04 Uhr
Empathie ist nicht nur Mitgefühl, sondern auch eine Sache der Vernunft
Das gesellschaftliche Umfeld wirkt sich auf empathisches Verhalten aus. Bild: APA

Biologicum Almtal: Neurowissenschafter Claus Lamm über die evolutionäre Prägung von Empathie und die Wahl, "nicht jeden Blödsinn mitmachen zu müssen".

Dazugehören – fremd sein: Unter diesem Spannungsbogen findet von 4. bis 6. Oktober das "Biologicum Almtal" in Grünau statt. Einer der Vortragenden während dieser "wissenschaftlichen Erlebnistage" – kuratiert von Verhaltensforscher Kurt Kotrschal – ist Claus Lamm, Professor für Biologische Psychologie an der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind das menschliche Sozialverhalten, Empathie und Mitgefühl.

 

OÖN: Täuscht es, oder war schon mehr Empathie vorhanden in unserer Gesellschaft?

Lamm: Man muss unterscheiden zwischen dem persönlichen Eindruck, der veröffentlichten Meinung und der Realität. Da keine belastbaren Zahlen im Sinne von Umfragen vorhanden sind, ist das schwierig auseinanderzuhalten. Eindeutig ist, dass das Empathieklima in der veröffentlichten Meinung reduziert ist, vor allem, wenn man es vergleicht mit dem Klima zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015.

Wann erlernen wir Empathie und wann besteht Gefahr, sie zu verlieren?

Mit der prinzipiellen Empathiefähigkeit wird man schon geboren, man ist schon sehr früh für soziale Reize empfänglich. Das führt dann zu prosozialem, altruistischem, helfendem Verhalten, in der Regel erstmals beobachtbar nach dem ersten Lebensjahr. Verlernt wird Empathie nie, sie muss aber ständig aktiviert und kultiviert werden. Dass wir auf andere und auf deren Emotionen reagieren, diese Fähigkeit verliert man nicht. Die Frage ist eher, wie viel man davon zulässt.

Sind wir auf unseren Clan, auf unsere Kleingruppe evolutionär geprägt? Oder andersherum: Definieren wir uns über die Abgrenzung gegenüber anderen schon in unseren Gehirnstrukturen?

Es gibt biologische Faktoren, die es uns erst ermöglichen, auf andere empathisch einzugehen und die aus der unmittelbaren Gruppe heraus entstanden sind: Aus dem Großziehen, der Pflege von Kindern. Das war auch die Grundlage, dass man die Empathie auf andere Gruppen ausdehnen konnte, nicht nur auf verwandte Personen. Einerseits ist es wichtig, spüren zu können, was andere spüren, andererseits gibt es immer wieder einmal den Wettbewerb unterschiedlicher Gruppen. In dem Spannungsfeld muss man sich – und das ist der Vorteil des Menschen – überlegen und reflektieren, wie sehr man dem einen oder dem anderen nachgeben will. Will man, dass der Wettbewerb im Vordergrund steht, dass man andere Gruppen ausgrenzt, will man sich dafür entscheiden, weniger Empathie aufzubringen oder reflektiert man und sagt sich: Okay, das hat mir die Evolution zwar mitgegeben, aber ich muss nicht jeden Blödsinn mitmachen.

Prägung aus einer Steinzeithöhle, ein Argument, das nicht gilt, oder?

Wir sind ja keine Automaten, wo man auf’s Knöpferl drückt und es kommt immer dasselbe heraus – was im Übrigen ja nicht einmal bei Automaten immer funktioniert. Wir können den Input, den wir bekommen, reflektieren und dann entscheiden, wie wir darauf reagieren.

Was treibt Menschen, Mitgefühl zu unterdrücken oder als nicht wünschenswert darzustellen?

Man kann durchaus gute Intentionen haben, sich aber durch eine Situation bedroht oder überfordert fühlen. Das kann man auf die Flüchtlingssituation beziehen oder ganz simpel sehen: Wenn ich zu einem Unfall komme und ich kein Blut sehen kann, dann ist es tatsächlich vernünftiger, nicht hinzusehen und aus sicherer Entfernung die Rettung zu rufen, als dem Mitgefühl nachzugeben.

Das heißt: Verfügt man über mehr Kompetenzen, zu helfen, kann man auch das Mitgefühl besser ausleben?

Ja. Wenn ich schon weiß, dass ich in einer bestimmten Situation überfordert bin, werde ich mich dieser Situation nicht aussetzen. Ergo kann ich das Mitgefühl nicht so stark empfinden. Wenn ich weiß, ich bin als Arzt nicht geeignet, werde ich vielleicht Buchhalter und bekomme nicht so viel Leid mit. Das heißt aber nicht, dass der Buchhalter nicht mitgefühlsfähig wäre, sondern, dass er nach seinen Fähigkeiten sein Leben gestaltet, was durchaus legitim ist.

Zuweilen hat man den Eindruck, Mitgefühl wäre eine unerwünschte Eigenschaft?

Das gesellschaftliche Umfeld entscheidet mit, ob Mitgefühl als gut oder schlecht bewertet wird. Da gibt es Pendelbewegungen. Am Anfang der Flüchtlingsbewegung wurde Mitgefühl regelrecht gefordert. Irgendwann ist das umgeschlagen, befeuert durch rechtspopulistische Aussagen à la "Wir laden die Leute zu uns ein und das sollten wir nicht machen, denn die nehmen uns die Jobs und die Frauen weg".

Wie viel bewirkt das Individuum hinsichtlich Empathie und wie viel das Umfeld?

Ein zutiefst überzeugter Humanist mit starker Intention, anderen zu helfen – etwa ein Pfarrer oder buddhistischer Mönch –, den wird das gesellschaftliche Umfeld nicht umdrehen. Einer, der sich nur für sich interessiert, dem andere immer schon "wurscht" waren, dem wird das Umfeld auch egal sein. Aber jene, die in der Mitte sind, die vielleicht nicht genau wissen, wie viel Empathie sie aufbringen wollen, die kann man ein wenig nach oben oder unten verschieben. So kann eine Art Massenphänomen entstehen, das viele mitreißt.

Inwieweit ist Sprache in der Lage, Empathie zu fördern oder zu unterdrücken?

Sprache spielt eine Rolle, ebenso Reflexion. Man kann ja Medien so konsumieren, dass man es super findet, wenn die eigene Meinung bestätigt wird und für nicht gut, wenn sie nicht bestätigt wird. Oder man überlegt einmal, was da behauptet wird oder was für Sprachbilder da gezeichnet werden.

 

Claus Lamm spricht am Freitag, 5. Oktober, 10 Uhr, zum Thema "Gehirnmechanismen von Empathie und Ausgrenzung". Infos zu Anmeldung und Programm unter: www.biologicum.at

 

Ist Empathie grundsätzlich gut oder schlecht?

Empathie werde oft als Motivator von Altruismus und helfendem Verhalten gesehen, es könne aber auch in die andere Richtung gehen, sagt Neurowissenschafter Claus Lamm von der Uni Wien.
Empathie könne auch dazu führen, dass man andere ausschließe. „Dass man sagt, ich begrenze die Empathie nur auf meine unmittelbare Gruppe – wie das derzeit teilweise propagiert wird: ,Österreich für die Österreicher’ oder ,Frankreich für die Franzosen’ –, und der Rest ist mir egal.“ Empathie sei per se nicht die Lösung, sondern eine Möglichkeit. „Man braucht auch eine ethische Grundlage und moralische Werte, die die Empathie dann befeuern.“

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 30.09.2018 09:19

Armselig, das grinsen

Ohne die Pösen wärns nix.

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Harbachoed-Kater (4.911 Kommentare)
am 30.09.2018 21:44

Was zu beweisen war.

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