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Elektrisierender Fußball

Von Carsten Hebestreit   05.März 2016

"Wer? Fußballer? Das sind doch alles Mimosen", sagt Manuela Mauthner, eine eingefleischte Black-Wings-Anhängerin. Eishockey? Da ist Tempo drin. Und Härte. Aber Fußball? "Nein, das war nicht mein Sport", sagt die Linzerin. Und doch ist jetzt alles anders. "Jetzt spiele ich selbst Fußball." Elektro-Rollstuhl-Fußball. Denn die 42-Jährige sitzt im Rollstuhl. Manuela Mauthner ist muskelkrank. "Fußball ist der einzige Sport, den du im E-Rolli spielen kannst", assistiert Karin Holzmann ihrer Mitspielerin. Denn im E-Rollstuhl sitzt, wer kaum Kraft hat – auch in den Armen. Da kommt’s dann auf das Geschick, auf den richtigen Umgang mit dem Joystick an. Mit diesem kleinen Hebel wird der Rolli gesteuert. Vor, zurück, seitlich, Geschwindigkeit – der Umgang mit dem kleinen Stick erfordert Übung und Feingefühl. "Darum wärmen wir uns immer eine Stunde lang auf", erzählt Manuela Mauthner.

Jeden zweiten Samstag in der Dr.-Karl-Renner-Schule am Linzer Flötzerweg wird zwei Stunden lang trainiert. "Das war wie ein Lotto-Sechser, dass wir den Turnsaal benützen dürfen", sagt die Linzerin. Zwei Monate haben die Rolli-Fußballer gewartet, dann gab’s den Turnsaalschlüssel. Aufwärmen – das verlangt Konzentration und Kondition. Denn Slalom fahren ist nicht ganz leicht – selbst für einen Menschen, der schon länger im E-Rolli sitzt. Und rückwärts die orange-weißen Hütchen zu umkurven ist sowieso eine Herausforderung. Da ist eine Stunde eine sehr lange Zeit. Danach Anpfiff zum Fußball-Training. Gespielt wird mit einem Lederball mit 75 Zentimeter Durchmesser. Ein normaler Fußball misst 55 Zentimeter. Rund um die Rollstühle haben Helfer – meist die Eltern– einen Rammschutz aus Metall befestigt. Burschen und Mädchen, die den Sport ausprobieren möchten, dürfen einen Plastikschutz ausleihen, der mit Kabelbindern befestigt wird. "Die Regeln sind streng", erzählt Karin Holzmann. Die 37-Jährige aus Königswiesen organisiert mit Manuela Mauthner das Fußball-Projekt und gibt Anweisungen.

Elektrisierender Fußball
Manuela Mauthner, Initiatorin des RSC heindl

Manuela Mauthner, Initiatorin des RSC heindl

Am wichtigsten ist die "2 gegen 1"-Regel: Der Ballführende darf nur von einem Gegner "attackiert" werden, der zweite Mitspieler muss mindestens drei Meter Abstand halten. "Sonst wird ja der eine Spieler von zwei anderen eingezwickt", erklärt die Mühlviertlerin. Gespielt wird auf einem Basketballfeld – mit Outlinie und breiten Toren. Üblicherweise treten vier gegen vier an. Im Training sind’s dann auch mal drei gegen drei. "Wir befinden uns noch im Aufbau und suchen Spieler", sagt Manuela Mauthner (siehe Kontakt). Wie im Spiel der Gehenden, ist der Schiedsrichter auch bei den E-Rollisten eine zentrale Figur. Denn da ist die Sache mit der "2 gegen 1"-Regel. Außerdem rollt der Ball oft über die Seitenlinie. Dann läuft der Unparteiische und legt den Lederball für den Einwurf auf die Linie. Eingeworfen wird der Ball freilich nicht, sondern angeschoben: entweder mit der Vorderseite des Rollis oder von der Seite mittels einer Drehung des Rollstuhls. Beim Training wird schnell klar: Können und Regeln – das sind beides Herausforderungen.

Mitspieler und Trainer gesucht

Sich im Elektro-Rollstuhl durch den Alltag schlängeln hat nur am Rande mit dem E-Rolli-Sport zu tun. "Und die Regeln erklären wir im Detail demnächst bei einem eigenen Workshop", sagt die 42-Jährige, die selbst mit den vielen Paragrafen "noch nicht sattelfest ist". Die Mappe mit den internationalen Bestimmungen ist jedenfalls fast einen Zentimeter dick.

Regelwerk

"Das Teil ist ein Monster", sagt Paul. Der Bursch verlor den Ball gegen Manuela, deren E-Rolli mehr Kraft hat. Was bedeutet: Die Beschleunigung ist besser und das Spitzentempo höher. Die elektrischen Sessel dürfen maximal zehn Stundenkilometer schnell fahren. Das ist auf den kleinen Feldern schon ein Höllentempo. Die meisten E-Rollis regeln bei sieben, acht Stundenkilometer ab. Manuelas "Monster" fährt 10 km/h. "50 zu 50", sagt die 42-Jährige dann auch über die Spielstärke: 50 Prozent macht der Rolli aus (Beschleunigung/Höchstgeschwindigkeit), 50 Prozent der Umgang des Spielers mit dem Joystick. "Was bringt dir der beste Rollstuhl, wenn du damit nicht umgehen kannst", sagt die Linzerin, die selbst zu den besten Spielern zählt. Und ihre Kollegin assistiert: "Da ist schon eine Menge Geschicklichkeit gefragt", sagt Karin Holzmann. "Und Teamfähigkeit." Der Kapitän eines Teams muss seine Mitspieler lenken, sagen, wohin sie fahren, was sie tun sollen.

Liga-Teilnahme als Ziel

Im November hat die 42-jährige Linzerin mit Gleichgesinnten am Otto-Bock-Turnier im Burgenland teilgenommen. Das flugs zusammengewürfelte Team des RSC heindl (Rollstuhl Sport Club) aus Linz ist dabei Letzter geworden. Schon logisch, denn zwei Stunden Training waren dann doch zu wenig. Aber die beiden Frauen ließen sich die Freude an dem Fußball-Sport nicht verdrießen und bauen seitdem eine Mannschaft auf. Ziel ist die Teilnahme an einer eigenen, österreichweiten Liga sowie die Teilnahme an dem World Cup in Florida. Aber bis dahin müssen noch viel E-Rolli-Akkus in den Trainings strapaziert werden. "Stehen geblieben ist bisher jedenfalls noch keiner!" Immerhin.

 

Regelwerk

Gespielt wird zwei mal 20 Minuten vier gegen vier Spieler. Das Spielfeld ist so groß wie ein Basketball-Feld, die Tore sind sechs Meter breit.

Der Strafraum vor dem Tor ist der einzige Bereich, wo zwei Spieler eines Teams sich nahe kommen dürfen. Denn ansonsten gilt die "2 gegen 1"-Regel: Wenn ein Spieler auf einen Gegner trifft, müssen die anderen E-Rolli-Fahrer mindestens drei Meter Abstand halten – damit niemand eingeklemmt wird. Rollt der Ball über eine Seitenlinie, gibt’s einen Einwurf (heißt tatsächlich so, auch wenn der Ball mittels E-Rolli angeschoben wird). Die E-Rollstühle dürfen maximal zehn Stundenkilometer schnell sein. Die internationalen Regeln, an die sich die Linzer halten, wurden von E-Rolli-Fußballern in Frankreich 2005 erarbeitet.

Kontakt: erollifussballooe@gmx.at

 

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