Ein Sommer zum Schwärmen

Von Alfons Krieglsteiner   12.August 2017

Die Sorge ist groß bei Oberösterreichs Forstleuten: Sie fürchten um die Fichtenbestände. Denn überall, wo in tiefen Lagen Fichtenwälder stehen, sind sie heuer ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. "Wir tun alles, um eine Massenvermehrung abzuwenden", sagt Forst-Landesrat Max Hiegelsberger (VP). 200.000 Festmeter Schadholz sind schon angefallen, um 75 Prozent mehr als 2016.

60.000 Festmeter sind es allein im Bezirk Urfahr. Schon die zweite Käfergeneration ist dort ausgeschwärmt, die dritte mästet sich unter der Rinde. Sie ernähren sich vom Bast, der Baum stirbt unweigerlich ab. 80 Käfer reichen, um ihr tödliches Werk zu vollenden. Auch die Bezirke Freistadt, Perg und das Alpenvorland sind betroffen.

Lob für die Waldbesitzer

Was tun dagegen? Hoffen auf Regen! Mindestens eine Woche müsste er anhalten, dann würde die Brut unter der Rinde verschimmeln. Und: kontrollieren. "Bevor der Käfer ausfliegen kann, muss der Waldbesitzer alle befallenen Stämme entfernen", sagt Christian Reisinger, Bezirksförster von Urfahr.

Die Rolle der Käfer-Detektive übernehmen Forstaufsichtsorgane des Landes, Forstberater der Landwirtschaftskammer und Gemeindeforstwarte. Sie machen die Waldbesitzer auf die kranken Bäume aufmerksam. "Den Waldbesitzern ist der Ernst der Lage bewusst, sie sind mit hoher Eigenverantwortung um die Aufarbeitung des Schadholzes bemüht", sagt Landesrat Hiegelsberger. Tausend Aufforderungen hat der Landesforstdienst bereits per Bescheid erlassen, 95 Prozent der Waldbesitzer halten sich dran.

Hermann Breuer ist einer von ihnen. Wenn er mit seinem siebenjährigen Enkel Jonas durch sein 12,5 Hektar großes Waldgebiet in Amberg bei Gramastetten streift, sind die Spuren der Verwüstung unübersehbar. An manchen Stellen sind ganze Gruppen der bis zu 80 Jahre alten Bäume braun verfärbt und abgestorben. Andere sind noch grün geblieben, aber auch hier verrät sich die Anwesenheit des Käfers: am feinen Bohrmehl, das sich auf Rindenschuppen und am Stammfuß sammelt. Und am Nadelfall, oftmals so dicht, dass es sich wie prasselnder Regen anhört.

Ein Stück Borke bricht Breuer von einem Baum: Darunter werden die Fraßgänge mit den gelblichen Käfern sichtbar. Noch eine Woche, dann wechselt ihre Farbe ins Bräunliche, und sie sind reif zum Schwärmen. 750 Festmeter Schadholz hat Breuer schon entfernt. Der Wertverlust ist hoch: 90 Euro bekommt man für einen Festmeter gesundes Holz, gerade einmal 60 Euro für Käferholz.

Diese Woche wird im Wald in Amberg ein Steilstück vom befallenen Holz gesäubert. "Da geht’s halbwegs leidig eini", sagt Nikolaus Baireder, Mitarbeiter eines Pabneukirchner Holzschlägerungsunternehmens. Acht Tonnen wiegt die metallisch rot glänzende Holzerntemaschine, die an einer Stahlwinde den Steilhang hinuntergelassen wird. Die Kranschaufel kappt den Stamm in Bodennähe, legt ihn zur Seite, entastet ihn, teilt ihn mit einer am Krankopf befindlichen Motorsäge in vier Meter lange Fragmente. Mit einem fünfachsigen Rückezugfahrzeug werden die Stämme dann nach oben gebracht und am Holzlagerplatz deponiert.

Fichten im Hitzestress

Ab 16 Grad schwärmen die Käfer, ab 22 Grad sind sie in ihrem Element. Hitzegestresste Fichten fallen ihnen leicht zum Opfer. Sie können nicht mehr genug Harz produzieren, um die ungebetenen Gäste zu "ertränken". Dann haben sie freie Bahn. Die Fichten werden zuerst von einigen Pionierkäfern befallen, die auf der Suche nach Fraßbäumen bis zu tausend Meter fliegen. Sie bohren sich durch die Rinde in die Stämme. Werden sie fündig, locken sie durch Duftstoffe Legionen von Artgenossen an: Das Schicksal des Baumes ist besiegelt.

Alles könnte schlimmer werden, wenn die Klimaerwärmung anhält. Deshalb gilt als Gebot der Stunde: "Die Baumbestände müssen mit Douglasien, Lärchen, Weißtannen, Eichen durchmischt werden, der Fichtenanteil sollte höchstens 30 Prozent betragen", sagt Bezirksforstinspektor Gerhard Aschauer. Denn Ende des Jahrhunderts werden wir ein Klima wie in der Toskana haben. Zum Schwärmen – für den Borkenkäfer.

 

Hintergrund

60 Prozent des Käferholzes entfallen auf das Mühlviertel, 30 Prozent auf die Bezirke des Alpenvorlandes, 10 Prozent auf die Gebirgsregionen. Derzeit legt der Landesforstdienst das Augenmerk auf intensive Kontrolle der Fichtenbestände und die Motivation der Waldbesitzer, das Schadholz sofort zu beseitigen. „Denn ein einziges Käferpaar kann im Lauf des Jahres 100.000 Nachkommen produzieren“, sagt Landesforstdirektorin Elfriede Moser.

Vorbeugend sollen schon jetzt großflächige Waldumbaumaßnahmen durchgeführt werden. Waldbesitzer können Förderanträge bei den Bezirkshauptmannschaften einbringen, Landesforstdienst und Bezirksbauernkammern beraten bei der Wahl der Baumarten.