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Ein Heim schenkt Kraft fürs Leben

Von Judith Moser-Hofstadler   15.Oktober 2011

Kristine führt mit Freude die Gäste aus Oberösterreich ihren Schulweg entlang. Drei Stunden braucht die Gruppe von der Schule in Ibanda bis zum Haus ihrer Eltern. Über Hügel und durch Gräben geht es durch einen Wald mit exotischen Bäumen, die zum Glück Schatten spenden, wenn man ihn braucht. „Es ist fast idyllisch, aber wenn man sich vorstellt, dass das Mädchen diesen Weg jeden Tag hin und zurück gehen muss, sieht man die Idylle schnell anders,“ beschreibt Christina Lindorfer von „Sei so frei“ Linz ihre Eindrücke. Unvorstellbar ist für sie auch, wie Kristine in der Regenzeit vorankommt.

Ein Schulweg von sechs bis sieben Stunden täglich war für viele Mädchen in Ibanda nicht ungewöhnlich. Um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, mussten sie noch im Dunkeln zu Hause losgehen und sie kamen erst bei Dunkelheit wieder heim. Für viele endete die Schule, sobald sie elf, zwölf Jahre alt waren, weil sie am Schulweg überfallen und vergewaltigt worden sind. Mädchen mit Kindern haben keine Zeit zum Lernen. Mit diesem Hintergrund ist leichter vorstellbar, was es für die Mädchen in Ibanda heißt, dass sie jetzt ein Heim haben, in dem sie übernachten können und damit Zeit haben, miteinander zu lernen und zu spielen. Vorher war es oft so, dass sie in der Früh noch Wasser holen mussten, bevor sie sich auf den Weg in die Schule gemacht haben. Wer müde ist vom Arbeiten und von drei Stunden Marsch, hat kaum den Kopf frei, um das, was in der Schule unterrichtet wird, auch noch im Kopf behalten zu können. Wer nicht so weit zu gehen hat, wird zu Hause zur Arbeit im Haus oder am Feld eingeteilt. In den Hütten gibt es auch keinen elektrischen Strom, um bei Licht am Abend lernen zu können.

Der Traum vom Wohnheim

Vor vier Jahren war Franz Hehenberger, Projektleiter von „Sei so frei“ Linz, zum ersten Mal in Ibanda. Basaliza hat ihn gebeten, zu kommen und sich etwas anzusehen. Basaliza ist Direktorin einer Schule in Ibanda. Hehenberger hat sie bereits von Projekten in einer anderen Stadt gekannt, in der sie zuvor gearbeitet hat. Sie ist die Leiterin einer Frauengruppe der St. Martha Catholic Women Association (CWA) in Ibanda. Gemeinsam mit zehn anderen Frauen erzählte Basaliza vom Traum, ein Mädchenwohnheim zu bauen. Sie erzählte von der Situation der Mädchen und besuchte mit Hehenberger das Haus einer der Frauen. Im Vorraum waren 18 Mädchen untergebracht, die dicht an dicht auf dünnen Matratzen am Boden lagen.

Die Mädchen hatten einfach keine Kraft mehr zu lernen, deshalb haben die Frauen begonnen, ihnen zu helfen. „Wir sind überzeugt davon, dass die Entwicklung der Gesellschaft mit der Entwicklung der Frauen zusammenhängt“, sagt Hehenberger. Dazu gehört die Schulbildung und die berufliche Entwicklung.

Für die Verpflegung der Mädchen haben die Eltern etwas von ihrer Ernte mitgeben müssen, und die Frauen haben organisiert, dass jemand zur Beaufsichtigung beim Lernen und Spielen da ist. „Das sind die ersten, die ohne Unterstützung von außen auf die Idee gekommen sind, dass sie etwas tun müssen und was sie tun müssen“, sagt Hehenberger. Ein Antrag für Unterstützung wurde schnell gestellt.

Pfarre und Diözese haben ihr Interesse am Projekt bekundet. Der Bischof hat ein Grundstück zur Verfügung gestellt und vertraglich gesichert, dass das Land für diesen Zweck verwendet werden darf.

Zu wenig Geld für Möbel

Im Frühjahr 2008 wurde mit dem Bau des Heims begonnen, ein Jahr später sind die Mädchen eingezogen. Es war vereinbart, dass die Eltern ein Bett und die Matratze für ihre Töchter bereitstellen. Tatsächlich hatten etwa 45 Mädchen die Schlafstätte zur Verfügung. Sie haben das mit den restlichen Mädchen geteilt, deren Eltern sich Bett und Matratze nicht leisten konnten. „Es gibt viele, die mit Müh’ und Not Feldfrüchte beisteuern können, aber nicht Möbel!“, sagt Hehenberger. Dank privater Sponsoren stehen jetzt allen Mädchen Stockbetten mit Matratzen zur Verfügung.

Für Mädchen wie Kristine ist es nicht selbstverständlich, eine Schule zu besuchen. Ihre Eltern haben sieben eigene Kinder, dazu kommen fünf von einem Bruder des Vaters, der seine Kinder nicht selbst versorgen kann. Umso mehr waren die Besucher aus Oberösterreich beeindruckt, dass die Familie das Wenige, das sie hat, mit Fremden teilt.

Die Frauen, die das Mädchenheim initiiert haben, erleben immer wieder, dass Mädchen nach den Ferien nicht mehr zur Schule kommen. Für manche Eltern sind sie mit 13 Jahren alt genug, um verheiratet zu werden. Wenn sie merken, dass ein Mädchen fehlt, gehen sie zur Familie und fragen nach. Sie bieten auch Familien- und Gewaltberatung an.

Ab dem kommenden Schuljahr wird das Mädchenheim mit 144 Plätzen ausgebucht sein. In Zukunft möchten die Frauen auch Kurse für die Mädchen anbieten, etwa Computerkurse oder Schneidern. Damit sollen sie leichter Arbeit finden. Auf die Frage, ob eine Familie, deren Tochter im Mädchenheim wohnt, auch höheres Ansehen genießt, meint Hehenberger: „Es hat auf alle Fälle das Zeug dazu!“

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