Die Symbolkraft der Biene
Die Bienen sind bedroht. Die Gefahren kommen von unserer Umwelt, von den "sogenannten" Pflanzenschutzmitteln, von der immer stärker eingeschränkten Pflanzenvielfalt, von den Bienenkrankheiten und Bienenschädlingen, aber auch von der abnehmenden Bereitschaft der Menschen, die Mühsal der Bienenhaltung auf sich zu nehmen.
Gleichgewichtig zu den ökologischen Gründen sind die kulturellen. Denn schon seit langem wird die Biene, die einst als eines der wichtigsten Symbole des menschlichen Zusammenlebens diente, aus unserem kulturellen und symbolischen Haushalt verdrängt.
Die Sparkasse Oberösterreich, die bei ihrer Gründung im Jahr 1849 die Biene als ihr Logo wählte, verwendet jetzt das zu einer Sparbüchse stilisierte S, in das eine Münze versinkt. Das Vorbild war die Erste Bank, die als älteste Sparkasse Österreichs 1819 die Biene gewählt hatte und nach dem Zweiten Weltkrieg zum S übergegangen ist, für das sie an die deutschen Sparkassen nicht unerhebliche Lizenzgebühren bezahlen muss. Nicht anders ist es bei den Raiffeisenkassen. Auch sie hatten einst, als sie noch klein und wirklich genossenschaftlich waren, die Biene als Symbol. Mit dem Nationalsozialismus kamen die angeblich urgermanischen gekreuzten Pferdeköpfe – das sogenannte Giebelkreuz – und sind nach 1945 auch geblieben, obwohl manche Genossenschafter gerne wieder zur Biene zurückgekehrt wären.
Für die Menschen hatten die Bienen immer höchsten Symbolwert. Genossenschaften, Arbeitervereine, Versicherungen und Sparkassen wählten sie im 19. Jahrhundert als Ausdruck für Fleiß, Gemeinschaftssinn, Selbstaufopferung, Zukunftsvorsorge und Sparsinn. Heute sieht man sie noch auf der denkmalgeschützten Fassade der Erste Bank am Wiener Graben oder im von der Sparkasse Oberösterreich seinerzeit gestifteten Sparkassenfenster im Linzer Neuen Dom, jetzt sogar auch wieder auf dem Logo der Sparkassen-Privatstiftung, aber nicht mehr im Geschäftsverkehr.
Die Biene hat eine wechselnde Symbolgeschichte: zuerst als Bild für ein geordnetes Staatswesen oder Kloster, für die Kirche und die Monarchie mit nur einem Herrscher an der Spitze. Es war daher ein Schock, als man im 17. Jahrhundert unter dem Mikroskop entdecken musste, dass der Bienenkönig eine Königin und die faulen Drohnen die Männer sind. Natürlich hat man daraus gleich eine neue Ideologie gezimmert: Die Existenz der Bienenkönigin war der Anstoß, sie zur Kronzeugin für das von Johann Jakob Bachofen behauptete Matriarchat als Urform der Herrschaft zu machen.
Die Symbolgeschichte der Biene ist für den sozialen Wandel recht bezeichnend, zuerst Symbol einer männlich dominierten Monarchie, dann Zeichen von Solidarität und Fleiß, heute Legitimation für die abnehmende Bildung des Einzelnen und für das Internet als Wissenshort: Der Einzelne ist nichts, der Schwarm ist die Intelligenz.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.