Die Staatsleugner proben den Aufstand

Eine obskure Frustbewegung gegen die Gesetze der Republik ist auch in Oberösterreich auf dem Vormarsch: Schon 22 Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt gehen in diesem Jahr auf das Konto der gewaltbereiten Staatsleugner. Der Verfassungsschutz ist alarmiert.
Ein nicht zugelassener Pkw mit Pappkennzeichen, am Steuer ein selbst ernannter Diplomat und Botschafter für Menschenrechte. Und ein selbst gebastelter Personalausweis, ausgestellt von einem fiktiven "Staatenbund": Es war kein verfrühter Faschingsscherz, als die Polizisten am Donnerstag in St. Florian bei Linz einen 38-Jährigen aus Kematen an der Krems zur Verkehrskontrolle baten.
Denn bei der Befragung gaben der Lenker und seine Beifahrerin an, dass die Gesetze ihres "Staatenbundes" über den österreichischen stünden und die Straßenverkehrsordnung für sie obsolet sei. Der 38-Jährige bezichtigte die Beamten eines widerrechtlichen Vorgehens und drohte mit einer Anzeige wegen Nötigung, Drohung, Diebstahls und Sachbeschädigung. Den Autoschlüssel mussten sie ihm mit Gewalt abnehmen. Anzeige folgt.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich seltsame Staatsleugner Amtshandlungen vehement widersetzen. "Allein in diesem Jahr waren es schon 22 Fälle", sagt Michael Tischlinger vom Landesamt für Verfassungsschutz.
Gut 250 solcher Outlaws gibt es derzeit schon in Oberösterreich, bundesweit sind es 900. Sie nennen sich "One People’s Public Trust" (OPPT), Reichsbürger, Freemen, Staatenbündler. Der Staat ist für sie nur eine "Firma", mit der sie keinen Vertrag abgeschlossen haben. Sie leugnen die Verfassung, wollen keine Steuern zahlen, erkennen die Gerichte nicht an. "Bei uns gab es die ersten Fälle vor zwei Jahren, mittlerweile hat sich die Situation zugespitzt", sagt Tischlinger. Denn die Verfahren würden jetzt "ins Finale gehen": Nachdem sie alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, drohen den Staatsleugnern Pfändungen und Strafantritte.
"Jetzt wird klar, wie sie wirklich ticken", sagt Tischlinger. 22 Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt – das ist das eine. Doch sie machen auch Richtern, Staatsanwälten, Behörden das Leben schwer: Unter Berufung auf das US-Handelsregister UCC erheben sie Regressforderungen oft in Millionenhöhe, die sie über ein Inkassobüro in Malta einzutreiben versuchen. Die beschuldigten Beamten müssen sich dann einen Rechtsanwalt nehmen – das geht ins Geld.
Die obskuren Aussteiger sind in der Regel "mittleren Alters, oft mit finanziellen Problemen", sagt Landespolizeidirektor Andreas Pilsl. Viele seien auf Sozialhilfe angewiesen: "Dennoch leugnen und verachten sie den Staat." Erst wenn das als strafrechtlicher Tatbestand eingestuft werde, "können wir gegen sie noch vor einem Gesetzesbruch rigoros einschreiten". Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat eine entsprechende Gesetzesänderung bereits ins Auge gefasst.
Was treibt diese Leute an? Der Politologe Anton Pelinka spricht von einer "bunten Frustbewegung aus Rechten, Linken, Weltverbesserern, Agnostikern, Esoterikern". Meist seien es "Spinner mit verwirrtem Weltbild". Dass sie wachsenden Zulauf bekommen, gebe zu denken. Umso mehr, als manche Gruppen – etwa die "Reichsbürger"– ihre nationale Identität betonten und von Ausländerhass getrieben würden. Grundsätzlich sei ein Sich-Lossagen vom Staat moralisch nur vertretbar, "wenn es sich um eine Diktatur handelt". Aber nicht in einem Rechtsstaat.