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Die Lateinische Münzunion – ein Lehrbeispiel

Von Dr. Roman Sandgruber   06.April 2013

Das Land sei in einem bemitleidenswerten Zustand, wirtschaftlich unseriös, von politischen Streitereien gelähmt und finanziell verrottet.

Willis Warnungen und Befunde klingen hochaktuell. Sie sind allerdings uralt. Er schrieb sie in seiner 1901 publizierten Geschichte der Lateinischen Münzunion, die vor dem Ersten Weltkrieg so recht und schlecht dahinvegetierte. Sie war 1865 gegründet worden. Gründungsmitglieder waren Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz. In den folgenden Jahren trat auch Griechenland bei.

Die Lateinische Münzunion hatte schwere Konstruktionsfehler. Man träumte von einem geeinten Europa, wollte in Wahrheit aber möglichst wenig von der eigenen Souveränität abgeben. 1893 war das Unionsmitglied Griechenland erstmals im Staatsbankrott. Im Gegenzug für einen Schuldenschnitt gelobte das Land Reformen und tat weiter wie vorher. 1908 wurde es aus der Union ausgeschlossen, 1910 wieder aufgenommen.

Obwohl die Lateinische Münzunion nie funktionierte, gab es sie mehr als 60 Jahre. Der Erste Weltkrieg brachte ihr faktisches Ende. Am 1. Jänner 1927 wurde der völkerrechtliche Totenschein ausgestellt und die Union auch formal beendet. Dass die Union so lange bestehen blieb, lag nur daran, dass alle die Kosten eines Auseinanderbrechens fürchteten.

Das 19. Jahrhundert ist ein Lehrbeispiel für Währungsunionen. Die Lateinische Münzunion war nicht die einzige. Es gab auch die Nordische Münzunion. Und natürlich die Münzunionen der neuen Staaten Deutschland und Italien oder die Münzunion der Habsburgermonarchie zwischen Österreich und Ungarn.

Münzunionen waren und sind Versprechen auf politische Einigungen. Erfolgreich waren sie nur dort, wo entsprechende politische Einigungsprozesse dahinterstanden. Nur in einem gemeinsamen Staatsgebiet konnten die Interessenkonflikte, die die Geldpolitik notwendig schafft, aufgehoben werden. 1992 hat die Wirtschaftswissenschafterin Theresia Theurl eine wirtschaftshistorische Studie über eine gemeinsame europäische Währung vorgelegt und „12 Lehren aus der Geschichte“ formuliert, die man allerdings wenig beherzigt hat.

Ihre Kernaussage: Währungsunionen ohne politisches Fundament zerbrechen. Doch solche Zerfallsprozesse können wie bei der Lateinischen Münzunion sehr langsam und sehr teuer werden, weil man die kurzfristigen Kosten der Auflösung fürchtet, die unvermeidbaren Kosten des langen Dahinsiechens aber nicht berechnet und möglichst weit in die Zukunft verlagern möchte.

 

O.Univ-Prof. Dr. Roman Sandgruber ist Vorstand des Instituts für Sozial -und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Linz

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