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Der Schnegerer im Paradies

14. Februar 2015, 00:04 Uhr
Der Schnegerer im Paradies
Maskenschnitzer, Glöckler, Vogelfänger und Naturliebhaber: Rupert Dygruber aus Ebensee in seiner Werkstatt. Bild: Hörmandinger

Der Volksschullehrer Rupert Dygruber schnitzt seit mehr als drei Jahrzehnten hölzerne Masken, hinter denen sich die Ebenseer Fetzen im Fasching verbergen. Bernhard Lichtenberger hat ihn besucht.

Ruhig, aber bestimmt führt Rupert Dygruber das scharfe Schnitzeisen und schabt eine weitere Falte in die Mundpartie. Eine Garnitur aus zwölf Messern liegt griffbereit auf der Werkbank in der vier mal sieben Meter großen Hütte im Garten. Zwischen Hirschgeweih und Wetterfleck hängen in zwei Reihen hölzerne Gesichter mit klobigen Nasen, verschmitzten Augen und lachenden, oft zahnlosen Mündern. Der 57-jährige Ebenseer ist ein Schnegerer. So nennt man die talentierten Handwerker, die es sich zum Hobby gemacht haben, Figuren für Kripperl oder eben Masken zu schnitzen, ohne die der Fetzenzug am Faschingsmontag (16. Februar) in der Traunseegemeinde nicht wäre, was er ist.

Lange Haare und die Stones

Als Jugendlicher, der in Linz ins Gymnasium ging, hatte Dygruber mit dem Brauchtum nichts am Hut. "Früher war ich recht progressiv. Ich hatte lange Haare und hörte Rolling Stones. Auf einmal hat sich das geändert, und ich hab’ mich um 180 Grad gedreht", sagt der Volksschullehrer. "Seither weiß ich, wo ich hingehöre. Ich bin im Paradies daheim."

Mit 22 Jahren versuchte sich der Ebenseer zuerst an Kripperlfiguren, bevor er bei einem bekannten Schnegerer anklopfte, der ihm zeigen sollte, wie man eine Larve macht. Mit diesem Ansinnen war er aber auf dem Holzweg. Statt ihn in der Schnitzkunst zu unterweisen, drückte der Erfahrene dem Spund lediglich eine seiner Masken in die Hand und sagte: "Fang einfach an!" Erst wurmte Dygruber die praktische Verweigerung gewaltig. "Jahre später bin ich draufgekommen, wieso er es mir nicht gezeigt hat. Er wollte nur, dass ich einen eigenen Stil entwickle und nicht den seinen übernehme. Heute bin ich ihm dafür dankbar."

So genau weiß es der Volksschullehrer nicht, aber um die 600 Larven werden es schon sein, denen seine Hände Form gegeben haben. Anfangs hat er ins Holz der Linde gearbeitet, danach der Zirbe ein Gesicht gegeben. Bis ihm ein Händler empfahl, es einmal mit den Stämmen der nordamerikanischen Weimutskiefer zu versuchen, die weniger Äste enthalten. Bis eine Maske einen wunschgemäß hinterfotzig an- und auslacht, vergeht ein Tag.

Schnitzen ohne Bestellung

120 Euro verlangt Dygruber für das Stück. Auf Bestellung geht bei ihm aber nichts, das engte ihn nur ein. Die Schnitzeisen packt er ohnehin erst nach dem Ebenseer Glöcklerlauf am 5. Jänner aus. Denn schließlich ist er auch bei der Glöcklerpass, und vor dem Umzug gilt es, die Lichterkappe zu picken. Danach findet der Bodenständige die Muße, sich den Masken zu widmen, "aber nur so lange, bis ich mich bei einer zwingen muss. Wenn’s keine Gaudi mehr ist, hör’ ich auf. Da kann sein, was will."

Früher ließ der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Töchtern seine handwerklichen Schöpfungen bemalen, aber die meisten schätzten die naturbelassenen Larven, hinter denen sich die Fetzen verstecken, wenn sie in ihren mit Lumpen bestückten alten Frauenkleidern am Faschingsmontag ans "Austadeln" gehen, also ihren Mitbürgern ordentlich die Meinung sagen. Was heutzutage nicht mehr so einfach ist wie damals, als im Ort wirklich noch jeder jeden kannte.

Rupert Dygruber erinnert sich auch an eine Zeit, in der die mehr als 120 Jahre alte Tradition eine Fratze zeigte: "Da sind sie mit Klobesen gegangen, haben Leute angeschmiert, mit Sägescharten, Federn oder Mehl überschüttet. Und in der Früh hat es ausg’schaut, dass ich mich geschämt habe." In den vergangenen Jahren hat sich der Fetzenzug wieder ins Positive und Lustige gekehrt. "Ich hab’ dabei eine narrische Gaudi", sagt Dygruber, "und wenn nicht, dann geh’ ich halt heim."

Auf Werkbank und Hüttenboden mischen sich Holzspäne und die Schalen von Futterkernen, die aus den kleinen, grünen Käfigen fallen, die in den Ecken der Fenster hängen. Dort stimmen Kreuzschnabel, Gimpel, Zeisig und Stieglitz ihre Lieder an. Der Heimatverbundene gehört nämlich auch der Zunft der Vogelfänger an. Eine Voliere mit Innen- und Außenbereich erweitert den Bewegungsraum der zwölf Lockvögel, die er das ganze Jahr über halten darf. Oft lässt er sie auch in der Hütte fliegen. Dygrubers Augen leuchten, wenn er davon erzählt, dass er in einer sternenklaren Nacht zeitig aufsteht, den Letzten begegnet, die "mit einem bledn Schädl" aus dem Wirtshaus kommen, hinaufsteigt und wartet, bis der Tag anbricht. "Ich hab’ schon die schönsten Sonnenaufgänge erlebt, und dann steht da fünf Meter neben dir plötzlich eine Gams, das ist gigantisch!"

Ein Mann der Tracht

Seit seiner extremen Wandlung trägt der ehemalige Stones-Jünger nur Tracht, von der Lederhose bis zum Hut mit Edelweiß und Gamsbart. "In der Schule fragen mich die Kinder schon, ob ich kein anderes Gewand hab", sagt Dygruber, dessen persönlicher Jahreskreis von der Tradition bestimmt ist. Nach dem Fasching zieht es ihn hinaus in die Natur, zum Blumenbrocken und auf den Berg. Im Sommer wirft der passionierte Fischer die Rute aus, und im Herbst geht’s zum Vögelfangen. Danach ist wieder die Glöcklerkappe dran, die gepickt werden will, "und aftn geht eh wieder der Fasching an". Und damit jene Zeit, in der aus geschälten Holzklötzen Masken mit hinterfotzigen Zügen entstehen. Aber nur so lange es den Rupp, wie ihn die Ebenseer rufen, auch freut.

 

Ebenseer Fetzenzug

Seit seiner Entstehung vor mehr als 120 Jahren ist der Fetzenzug am Faschingsmontag der Höhepunkt der närrischen Zeit in Ebensee. 2011 wurde das Brauchtum zum immateriellen österreichischen UNESCO-Kulturerbe erklärt. Die Teilnehmenden, die sogenannten „Fetzen“, kleiden sich in alte Frauengewänder, an die Lumpen genäht sind. Sie tragen einen Fetzenhut, den Parapluie (einen zerschlissenen Regenschirm) sowie eine kunstvoll geschnitzte Holzmaske (Larve).

In der Salinengemeinde ziehen die Fetzen heuer am 16. Februar um 15 Uhr vom Gasthaus Neuhütte ins Ortszentrum, wo es zum traditionellen „Austadeln“ kommt: Da sagen die Ebenseer unter dem Schutz der Holzlarven ihren „zivilen“ Mitbürgern all das ins Gesicht, was sie sich ein ganzes Jahr lang verbissen haben.

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