Der Nationalfeiertag
Gejubelt wurde in Österreich immer schon viel zu viel, zu so verhängnisvollen Anlässen wie dem Kriegseintritt 1914 oder am Heldenplatz 1938.
Österreich sei nicht eine Nation, sondern "eine Nazion mit einem Scheiß-Innenminister", twitterte ein Jungpolitiker, der für die EU-Wahlen kandidieren und Österreich im Brüsseler Parlament vertreten möchte. Solche Wortwahl ist nicht einmalig. Man erinnere sich an die Österreich-Verunglimpfung als "verschissenes und verlogenes Land" durch den bekannten Fernsehmoderator Alfons Haider oder an die schon mit dem Namen vernadernde Fernsehserie "Braunschlag", deren Regisseur David Schalko auf Facebook postete: "Warum sollte man sich über ein Land aufregen, das von jeher zu einem Großteil aus Debilen und Nazis bestand?"
Als politische Aussage sind Beschimpfungen abzulehnen, vor allem wenn sie sich undifferenzierter Pauschalbeschuldigungen bedienen, als literarische Kategorie sind sie ein beliebtes Stilmittel. Thomas Bernhard war ihr Großmeister. Die Tradition reicht bis zu den Heroen der österreichischen Theaterwelt Nestroy und Grillparzer zurück, in eine Zeit, als der Zensor noch übermächtig war. Man weiß ja nicht einmal, ob nicht der Monolog des ritterlichen Dienstmanns Ottokar von Horneck aus Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" nicht doch ironisch gemeint war und in Wahrheit eine Österreich-Beschimpfung ist, wenn auch eine sehr noble, die auch für den Nationalfeiertag taugt und sich gerne zitieren lässt: "Es ist ein gutes Land…."
Nationalfeiertage sind Festtage der Nation. Da ist Jubel angesagt, auch wenn es nur der verordnete Jubel der österreichischen Bundeshymne ist, seitdem ihr Wortlaut durch eilfertige Parlamentarierinnen und Parlamentarier von "Einig lass in Brüderchören, Vaterland, dir Treue schwören!" auf "Einig lass in Jubelchören…" geändert wurde, nur um einer gendergerechten Sprache Genüge zu tun, auch wenn man dabei im emanzipatorischen Tatendrang den männlichen Charakter des Wortes "Vaterland" völlig übersehen hat und das alte Symbol der Brüderlichkeit dem inhaltsleeren Jubel geopfert hat.
Gejubelt wurde in Österreich immer schon viel zu viel, zu so verhängnisvollen Anlässen wie dem Kriegseintritt 1914 oder am Heldenplatz 1938, aber auch zu vermeintlichen Sporthelden und Transgender-Figurinen. Was Österreich braucht, ist eine nüchterne Unterscheidung von Licht und Schatten und eine kritische Abwägung von Erfolgen und Misserfolgen. "Nationen" oder gar "Nazionen" sind längst nicht mehr zeitgemäß, weder als Sprachnation, noch als Wirtschafts-, Religions- oder Sportnation, und schon gar nicht als Rassennation.
An ihre Stelle ist die Gemeinschaft getreten, als große europäische Gemeinschaft und als regionale und lokale Gemeinden. Wir brauchen keine Jubelchöre in der Bundeshymne und keine Hass- und Racheschreier auf der politischen Bühne, sondern Gemeinschaftschöre, die das äußere Ansehen und den inneren Frieden des Landes fördern können.
Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
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