Der Manager-General

Von Jasmin Bürger   14.August 2015

Es ist ein seltsames Trio, dessen starren Blicken sich Othmar Commenda an seinem Schreibtisch aussetzt: Aus dem Bücherregal blitzen drei futuristisch anmutende Gartenzwerge in Silber, Orange und Grün auf den obersten Militär herab. "Die erinnern mich daran, auf dem Boden zu bleiben und dabei nicht zu vergessen, wo man herkommt", sagt er augenzwinkernd beim OÖN-Besuch im Verteidigungsministerium in der Rossauer Kaserne.

Die Aufgabe des in Offenhausen bei Wels aufgewachsenen Generals ist eine der wichtigsten des Landes: Er ist seit 2013 Kopf der militärischen Führung des 47.000 Mann und Frau starken Bundesheeres, das neben der Landesverteidigung mit seinen Spitälern, Flugplätzen, Kfz-Werkstätten eine Art "multifunktioneller Konzern" ist. Insofern, sagt Commenda ganz ohne Augenzwinkern, "ist der Generalstabschef vergleichbar mit dem Vorstandsvorsitzenden, der Verteidigungsminister ist Aufsichtsratschef". An dieser Rollenverteilung rüttelt Minister Gerald Klug aber: Der Generalstab verliert durch eine Neustrukturierung des Ressorts Budget- und Personalverantwortung. Commenda bleibt trotz Entmachtung der Soldatenrolle treu: "Ich habe den Auftrag, die Zentralstelle umzusetzen", sagt er und spricht von einem "korrekten" Verhältnis zu Klug.

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Commendas Hobby: Modellbaupanzer, eine Auswahl im Büro

Commendas Hobby: Modellbaupanzer, eine Auswahl im Büro

Vertrauen wäre übertrieben: Mit Klug ist Commenda per Sie, mit den meisten EU-Generälen dagegen per Du. Nicht nur, weil es unter Ranggleichen üblich ist, viele kennt der Militärakademie-Absolvent von Führungslehrgängen weltweit. "Militärs haben auch international eine enge und ehrliche Vernetzung, was die Zusammenarbeit einfacher macht als in der Politik", sagt er.

Mitglied der "Hall of Fame"

Besonders stolz ist der 61-Jährige auf die Lehrzeit am War College der US Army in Carlisle. Erreichen Absolventen höchsten militärischen Rang, werden sie in die "Hall of Fame" aufgenommen. Commenda ist als erster Österreicher dabei. Die Urkunde hängt im Büro neben Ölgemälden von Kriegsschiffen – eine Reminiszenz an den Großvater, der bei der k.u.k. Kriegsmarine war und den Enkel sehr geprägt hat.

Soldat war dennoch kein Taumberuf: "Mein Jugendtraum war, in die weite Welt hinauszufahren und auf Erdölplattformen nach Öl zu suchen." Vor dem geplanten Montanistik-Studium meldete sich der HTL-Maturant zum Freiwilligenjahr: "Ich hab mir gedacht, wenn schon Bundesheer, dann ordentlich". 1975 rückte eine sportliche Truppe in Ebelsberg ein, alle wollten dann an die Militärakademie – Commenda eigentlich nur für ein Semester, aber: "Die Vorstellung, für das Studium um Geld wieder zum Vater gehen zu müssen, war ein Alptraum für mich." Die Eltern – der Vater war Baupolier, die Mutter Schneiderin – hatten schon das Internat in der HTL Steyr finanziert.

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Bei der Ausbildung an der Militärakademie in den 70ern. Commenda war unter anderem Stabchef der 3. Panzergrenadierbrigade in Mautern.

Bei der Ausbildung an der Militärakademie in den 70ern. Commenda war unter anderem Stabchef der 3. Panzergrenadierbrigade in Mautern.

Genauigkeit und Disziplin des ehrgeizigen Soldaten kamen im Heer gut an, seine Technik-Affinität – "ich war einer der ersten hier, die einen Computer bedienen konnten" – nicht bei allen. Kollegen nannten ihn abfällig "Excel-Offizier". Heute ist Armeeführung ohne moderne Technik undenkbar.

Management-, Taktik- und Strategiekurse machten sich bezahlt: 2001 stieg der scharfsinnige Analytiker als Brigadier in den Generalsstand auf. Es folgte ein Politausflug: Kurzzeit-Kabinettchef bei FP-Verteidigungsminister Scheibner, Leiter der Heeres-Reformkommission unter VP-Nachfolger Platter, 2008 Wechsel in den Generalstab unter SP-Minister Darabos. Politisch einordnen lässt sich Commenda nicht.

Die weite Welt hat er anders gesehen als erträumt: 1983/84 etwa als Kompaniekommandant bei der UNO-Mission am Golan, von wo Österreichs Soldaten im Vorjahr abgezogen wurden und heute in Syrien Bürgerkrieg und in der Region der IS-Terror herrscht – ein militärisch ungelöster Krisenherd.

Keine Angst, nur funktionieren

Auch Commenda hat seine gefährlichste Situation im Nahen Osten erlebt, allerdings durch "eine Dummheit", erzählt er. "Verbotenerweise" ist er mit zwei UN-Kameraden an die Grenze zwischen Iran, Irak und Syrien gefahren, um Reste einer römischen Brücke zu sehen. Beim Fotografieren "höre ich plötzlich einen Geschossknall in der Luft", vermutlich von türkischer Seite. Angst, sagt der Soldat, gibt es da nicht: "Du weißt, was du zu tun hast, der erste Blick ist der nach Deckung und dem idealen Weg, sich abzusetzen."

Heute ist Commenda "mehr Manager als Soldat", aber fit wie ein Aktiver: "Ich kann nicht von Soldaten verlangen, dass sie sporteln, und selber ist man undiszipliniert." Sein Programm erledigt er gern auf dem Weg zur Arbeit: Vom zweiten Bezirk läuft er über Prater und Donaukanal – zehn bis zwölf Kilometer, jeder wird exakt mit Fitnessuhr überwacht. Nur acht Minuten, auch das weiß der General genau, ist der Fußweg von zu Hause ins Schweizerhaus, bekannt für Stelzen und Bier. Noch lieber trinkt er aber an heißen Sommerabenden g’spritzten Most – selten nur noch in Oberösterreich.

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Mit Ehefrau Sabine

Mit Ehefrau Sabine

Der Heimat verbunden ist Commenda aber durch seine zweite Ehefrau, gebürtige Gunskirchnerin: "Sabine war meine Jugendliebe. Wir haben uns nach 35 Jahren durch Zufall in Wien wiedergetroffen." 2010 war Hochzeit, mit der Direktorin eines Pensionistenhauses lebt Commenda nun ein Patchwork-Modell: Er hat aus erster Ehe zwei Kinder (Caroline ist 24, Christoph 14), seine Frau einen 30-jährigen Sohn.

Ob sich Christoph fürs Militär begeistert, ist dem Vater egal: "Ich hätte kein Problem, wenn er wie mein Stiefsohn Zivildienst macht." Durch den Job seiner Frau im Pflegebereich weiß er, wie wichtig Zivis sind.

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Mit Tochter Caroline und Sohn Christoph im Urlaub

 

Mit Tochter Caroline und Sohn Christoph im Urlaub

Für den bis 2018 bestellten Generalstabschef ist das Militär Leidenschaft auf Lebzeit: Schon jetzt schmücken etliche Modellbaupanzer das Büro. 150 Bausätze warten zu Hause – bis zu zwei Wochen dauert es, einen Mini-Panzer zusammenzusetzen. Da versteht man, warum Commenda sagt: "Ich kriege sicher keinen Pensionsschock". Noch ist seine Baustelle aber das Heer.

 


14.000 Soldaten stehen im Heeresdienst, dazu kommen 8000 Zivilbedienstete und 25.000 Milizsoldaten. Neben der militärischen Landesverteidigung ist das Bundesheer auch in der Katastrophenhilfe im Einsatz. Dazu kommen Assistenzeinsätze, die das Innenministerium anfordern kann. Derzeit helfen Soldaten bei der Errichtung von kurzfristigen Quartieren für Asylwerber.

2008 wurde Othmar Commenda von SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos zum stellvertretenden Generalstabschef ernannt, nach der Pensionierung von Edmund Entacher übernahm er 2013 den Chefposten. Er ist bis 2018 bestellt.

150 Panzer-Modellbausätze warten im Hause Commenda auf ihre Zusammensetzung. Der Modellbau ist große Leidenschaft des am Panzer Ausgebildeten.
 

Nachgefragt...

Heimat ist für mich … dort, wo ich meine Wurzeln habe und mich wohl fühle

Heimweh nach Oberösterreich bekomme ich … immer, wenn ich drüber rede

Das fehlt mir in Wien aus Oberösterreich ... Der Blick in die Natur von einer „Hoagart’n“-Bank

Mein Lieblingsplatz in Wien ... der Prater

Mostschädl oder Weana Bazi, das beschreibt mich eher ... Mostschädl, ich habe auch immer einen Most zuhause