"Der Abschreibjäger" oder "In Österreich fehlt die Rücktrittskultur"

Von Klaus Buttinger   15.April 2017

Seit aus seiner Doktorarbeit dreimal abgeschrieben wurde, befasst sich der Salzburger Medienwissenschafter Stefan Weber (49) mehr und mehr mit dem Aufdecken von Plagiaten in Dissertationen. Momentan steht der Privatdozent an der Uni Wien wieder im Licht der Aufmerksamkeit.

OÖN: Sie deckten kürzlich die Plagiatsaffäre um den steirischen Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (VP) auf, dem dann die Universität Graz den Doktortitel aberkannte. Können Sie sagen, wer Sie beauftragt hatte, die Doktorarbeit Buchmanns zu überprüfen?

Stefan Weber: Kann ich deshalb nicht sagen, weil alle Auftraggeber von mir eine Verschwiegenheitserklärung bekommen. Ich nenne auf Dauer den Auftraggeber nicht, außer der Auftraggeber entbindet mich eines Tages davon. Ich erinnere an Peter Pilz, der offen Auftraggeber war für meine Gutachten über Johannes Hahn (EU-Erweiterungskommissar, Anm.).

Wie viele Plagiatsuntersuchungen nahmen Sie schon vor?

Im Jahr sind es dreißig bis vierzig Untersuchungen, wobei ich pro Monat nur eine Detailprüfung mache – wie bei Buchmann –, im Zuge derer ich zehn oder mehr Literaturtitel, die nur offline verfügbar sind, einscanne. Der Rest sind allein auf Software basierende Untersuchungen.

Wie sieht Ihre Warteliste aus?

Auftraggeber, die eine Detailprüfung wollen, müssen sich mindestens ein halbes Jahr gedulden.

Gibt es eine Absicht der Plagiatoren, die sie vereint? Schlampigkeit, Faulheit, Betrugsabsicht?

Für mich sind die Fälle sehr vergleichbar, so wie die Fälle Buchmann und Hahn. Beide haben ein typisches Printplagiat gemacht. Ein Absatz wird unter Anführungszeichen gesetzt, der nächste Absatz nicht, obwohl weiter aus dieser Quelle abgeschrieben wurde. Damit glaubt der Leser, der Herr Buchmann spreche zu ihm. Dieselbe Methode – nämlich das Bauernopfer-Zitieren – findet sich bei Hahn, dieselbe Methode funktioniert auch per Copy and Paste mit Internetquellen. Ich nehme noch den Fall Bogdan Roscic dazu – alle drei Fälle sind vom Vorgehen her gleich. In keinem Lehrbuch der Welt steht, dass man so zitieren darf.

Welche Absicht der Autoren steckte dahinter?

Im Universitätsgesetz § 89 (Widerruf inländischer akademischer Grade, Anm.) steht, es müsse nachgewiesen werden, dass der akademische Grad erschlichen worden sei. Erschleichung setzt Absicht voraus – weder Unkenntnis der Zitierregeln, Schlamperei noch Fahrlässigkeit, sondern bewussten Betrug. In Deutschland spricht man in der Judikatur von Täuschung.

Im Gegensatz zu Deutschland, etwa im Fall des deutschen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, folgt auf eine Plagiatsaffäre in Österreich selten ein Rücktritt aus politischen Funktionen. Warum ist das so?

Das ist eine Frage der moralischen Bewertung. Ich versuche, Plagiate zu identifizieren, maße mir aber kein Urteil über die Politik eines Landesrates oder die Arbeit eines EU-Kommissars an. Aber ich darf wegen des Bescheids der Uni Graz den Herrn Buchmann einen Titelerschleicher nennen, weil das Rechtskraft hat. Eine Rücktrittskultur in Österreich gibt es nicht, sondern den gegenteiligen Reflex, dass die Plagiatoren letztlich von der Gesellschaft gestärkt werden.

Was treibt Sie an, diese Aufdeckungsarbeit zu leisten?

Ich bin von diesem Forschungsthema getrieben, ich finde es spannend und mache es auch für Geld. Die Plagiatsforschung ist mein Standbein als Selbstständiger. Zweitens ist das eine jahrelange Entwicklung, in die ich hineingekommen bin. Und wenn man zum Thema ein Buch geschrieben hat, dann bleibt man am Thema dran. Ich bin damit weder Millionär geworden, noch reizt mich – was viele glauben – der Medienrummel.

 

"Der Abschreibjäger" oder "In Österreich fehlt die Rücktrittskultur"
Plagiatsforscher Stefan Weber

Plagiatsforscher Stefan Weber (Foto: Anne Kaiser)

Wie gehen Sie mit den negativen Reaktionen um?

Die stören mich nicht. Der Begriff "Kopfgeldjäger" geht noch okay, denn das schiefe Bild sieht man ja mit Augenzwinkern. Wenn mir aber jemand konstatiert, ich sei manisch besessen, sähe ich das als ehrenrührig an.

Kommt es im Nachhall solcher Plagiatsdebatten zur klassischen Täter-Opfer-Umkehr?

Ja. Ich habe mich nach der öffentlichen Erklärung eines zerknirschten Landesrats Buchmann, er habe vielleicht einen Fehler gemacht, sei schlampig gewesen und werde von Gutachtern der Universität und einem Kopfgeldjäger traktiert, gefragt: Leidet er wirklich oder gibt er das Opfer in einer Inszenierung? Zu 99 Prozent war das Show. Das finde ich traurig.