Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Das grüne Herz des "Hagel-Kurt"

Von Annette Gantner, 16. Juli 2016, 00:04 Uhr
Das grüne Herz des "Hagel-Kurt"
Weinberger in seinem Büro in der Josefstadt, das erste CO2-neutrale Bürogebäude in Wien. Bild: OÖN / Johannes Zinner

Kurt Weinberger hat sich dem Kampf gegen das Zubetonieren Österreichs verschrieben. Der Oberösterreicher kennt als Chef der Hagelversicherer die dramatischen Folgen von Hochwasser, Dürre und Frost.

Schon bei der Begrüßung fallen rasch die Worte "hässlich" und "verschandelt". Er komme aus Aichkirchen bei Lambach, erzählt Kurt Weinberger und beklagt, dass die Gegend früher viel schöner gewesen sei. "Ein Riesenareal ist einfach zubetoniert worden."

Die Nutzung der heimischen Böden ist schon berufsbedingt eines der zentralen Themen des Vorsitzenden der Hagelversicherung. 1946 schlossen sich die Versicherer Österreichs zusammen und boten den Bauern eine Möglichkeit, das Risiko eines Ernteausfalls aufgrund von Hagelschäden zu vermindern. Der sperrige Name blieb, die Produktpalette hat sich seither verändert: Die Landwirte können sich gegen Dürre, Stürme, Frostschäden, Hochwasser und Überschwemmung versichern.

Seit dem letzten Jahr bietet Österreich als einziges Land die Möglichkeit, auch die Apfelernte zu versichern. Nach dem verheerenden Frost im April eine Abhilfe für die Obstbauern.

Weinberger stieg 1993 eher zufällig bei der Hagelversicherung ein, nicht einmal zehn Jahre später war er bereits Vorstandsvorsitzender. Die Methoden sind überraschend modern: Die Anträge der Bauern auf Ersatz gehen mittlerweile zu 90 Prozent online ein, per Satellit werden große Ackerflächen auf Schäden gescreent, nach dem Besuch des Sachverständigen erhalten die Landwirte vier Tage später den Schadenersatz überwiesen.

"Wir sind mit einem sehr volatilen Geschäftsmodell konfrontiert", umschreibt er liebevoll die Wetterkapriolen. In Österreich ist die Hagelversicherung Platzhirsch, seit 2006 werden auch die osteuropäischen Märkte betreut.

Nachhaltiges Reden mit Charles

Weinberger war 2011 überraschend zum Präsidenten der weltweiten Vereinigung der Agrarversicherer gewählt worden. In dieser Funktion war er international viel unterwegs. In Cambridge hielt er in kleinem Rahmen einen Vortrag über den Bodenverbrauch und diskutierte dabei mit Prince Charles über Nachhaltigkeit.

Wenn Weinberger über die heimischen Böden spricht, weicht seine Zurückhaltung der Emotion. Da fallen Sätze wie "Ein Land ohne Acker wäre wie ein Mensch ohne Haut" oder "Die Umwelt hat in Österreich keinen Anwalt".

Der 55-Jährige kommt selbst von einem Bauernhof und bewirtschaftet heute in Aichkirchen ein Gut, das er von seinem Onkel übernommen hat. Als Bub saß er am Traktor, schlachtete Hühner und arbeitete auf dem Feld. "Mein Traumberuf war immer, Bauer zu werden." Der Familienname würde auf einen Winzer schließen lassen. "Er geht auf 1560 zurück. Weinbau hat es im Hausruck immer gegeben", gibt der Topmanager Auskunft.

In Lambach ging er bei den Benediktinern in die Schule. Ora et labora als Lebensanleitung. Die Prägung durch die katholische Kirche und der Hang zur Philosophie sind bei Weinberger spürbar. Voller Begeisterung holt er die Enzyklika "Laudato sí" von Papst Franziskus hervor, die sich der Bedeutung der Umwelt widmet, und zitiert daraus.

Nach der Schule begann Weinberger in Wien Agrarökonomik zu studieren, er lernte seine Ehefrau Renate, von Beruf Steuerberaterin, kennen. Beide gingen zurück nach Oberösterreich, der frischgebackene Akademiker fing bei der Landesregierung in der Agrarrechtsabteilung an – dem Leben als Beamten stand nichts mehr im Weg.

Schnuppern in Brüssel

Doch Weinberger entschied sich anders. Es war die Phase, als Österreichs EU-Beitritt schon greifbar war, die EU-Kommission bot Beamten die Möglichkeit, in Brüssel anzudocken. 1992 wechselte Weinberger für ein Jahr in die Generaldirektion für Landwirtschaft in der EU-Kommission. "Wir waren damals drei Österreicher in Brüssel", erinnert er sich. Der österreichische Botschafter lud wöchentlich zum Gespräch. Dort sollte der 31-jährige Agrarrechtler seinen – aus heutiger Sicht – Vorgänger in der Hagelversicherung kennenlernen.

Ein Jobangebot folgte, der pragmatisierte Staatsdienst war passé. "Für mich war klar, ich gehe dorthin, wo ich mehr gestalten kann." Er arbeitete sich hoch, wurde als Trainee nach Dublin und Paris geschickt. Das Familienleben kam dennoch nicht zu kurz: Weinberger ist Vater dreier Kinder, der Sohn wird den Hof übernehmen. Eine Tochter studiert in Wien und ist in die gemeinsame Wohnung in der Josefstadt gezogen. Jedes Wochenende fährt er mit dem Zug zu seiner Frau nach Aichkirchen.

Zufallsbekanntschaft in Rom

Dass er die Eisenbahn nutzt, ist nicht verwunderlich. Brigitte Ederer holte ihn in den ÖBB-Aufsichtsrat, dort lernte er auch den jetzigen Kanzler Christian Kern kennen. Weinberger ist bestens vernetzt, ab und zu ergeben sich auch unerwartete Zufallsbekanntschaften. Am Flughafen in Rom lernte er 2015 Kardinal Christoph Schönborn kennen. Beide fanden sich beim Thema Klimaschutz, seither unterstützt selbst der Erzbischof die Umwelt-Kampagne.

"Hagel-Kurt", wie er in seiner Branche genannt wird, kann überzeugend sein. Er hat eine ganze Liste zusammengestellt, wo Österreich negativer Rekordhalter ist. Nirgendwo sonst in Europa gebe es mehr Supermarktflächen pro Kopf und ein dichteres Straßennetz als in Österreich. Jeden Tag werde eine Fläche von 30 Fußballfeldern zerstört. "Die Kommunalsteuer ist eine wesentliche Ursache dafür, dass Bürgermeister immer mehr Siedlungsraum erschließen, die Raumordnung ist einzigartig falsch", ärgert sich Weinberger.

Seine Versicherung bekommt die Auswirkungen unmittelbar zu spüren. "Dort, wo wir eine massive Zubetonierung haben, hat es beim letzten Hochwasser die größten Schäden gegeben."

Man hört richtig das grüne Herz klopfen, wobei sich der Intellektuelle gegen jegliche parteipolitische Zuordnungen wehrt. In die Politik will er dennoch nicht gehen, um sich für die Umwelt zu engagieren. "Ich fühle mich in meiner Rolle extrem wohl."

Nachgefragt

Heimat ist für mich ... unverbauter Boden, meine Familie
Das fehlt mir in Wien aus Oberösterreich … mein Zuhause in Aichkirchen
Das gibt es nur in Wien ... sehr viele nette Beisln
Mein Lieblingsplatz in Wien ... Mein Büro, es ist das erste CO2- neutrale Bürohaus Wiens mit Photovoltaik-Anlage
Der größte Unterschied zwischen Wienern und Oberösterreichern ist ... der Dialekt

 

1946 wurde die Hagelversicherung durch alle österreichischen Versicherungsgesellschaften auf Drängen der Landwirte gegründet.

Sechs Märkte bedient die Hagelversicherung: Österreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Rumänien.

2,1 Millionen Hektar Fläche sind bei der HGV versichert, insgesamt haftet sie für vier Milliarden Euro, das Prämienvolumen beträgt 11 Millionen Euro.

5000 Außendienstmitarbeiter beschäftigt die HGV.

mehr aus Oberösterreich

Bohrgegner in Molln Handy entrissen: Bedingte Strafe wegen Nötigung für Wachmann

Cannabis-Farce: Verkehrter Schmuggel im Innviertel

Mordangeklagter: "Ich hab' wirklich geglaubt, dass meine Frau mich betrügt"

Verkauf von Drogen und gefälschten Ausweisen: 2 Männer in U-Haft

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

5  Kommentare
5  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
chopin (2.087 Kommentare)
am 16.07.2016 01:29

Ich glaube dir jedes Wort.
Obwohl:

Der Benediktiner-Schüler konnte unter anderem Kardinal Schönborn für die Bodenverbrauch-Kampagne gewinnen.

Naja, jeder hat so seine Freunde.
Wenigstens war es nicht Groer.

lädt ...
melden
( Kommentare)
am 16.07.2016 01:36

Oh danke.
Wieso obwohl?
Hast die Papstenzyklika gelesen? Ich finde es schön, wenn die Kirche praktisch denkt und zum vernünftigen Handeln anleitet.

Viel besser als wenn im Namen Gottes wieder in den Krieg gezogen wird.
Ein neuer Schwerter zu Pflugscharen Aufruf.

lädt ...
melden
( Kommentare)
am 16.07.2016 01:19

Hr. Weinberger gehört zu den wenigen in Österreich, die laut den sorglosen Umgang mit Boden anprangern, danke dafür, ich zitiere Sie oft!
Die Natur braucht den Menschen nicht, umgekehrt ist es eine klare Abhängigkeit.
Dass die Kommunalsteuer ein völlig falsches Lenkungsinstrument ist, zutiefst ungerecht und ein Belohnungssystem für Gemeinden als Betonierer, das kann nicht oft genug gesagt werden.
Das schadet uns allen! Es wäre höchste Zeit, dass das Land reagiert!

Den natürlichen Boden erhalten, dass muss doch ein gemeinsames Ziel aller politischen Lager sein!

lädt ...
melden
il-capone (10.378 Kommentare)
am 16.07.2016 08:23

Ah wås,
in Dallas kann man auch bestens leben.
Oder in Monaco.
Oder Satellitenstädten in der Wüste ...

Der moderne Zweibeiner kennt das heute. Was übermorgen ist, fällt unter unglaubwürdiger Schamanerei ...

lädt ...
melden
( Kommentare)
am 17.07.2016 15:04

Gehören Sie zu denen die sagen es ist alles gut? Kein Klimawandel? CO2 ein Dünger für die Bäume? Warmzeiten hat es immer schon gegeben? Erdöl geht nie aus, wird nachgebildet...Ein feiger Wegschauer?

Lesen Sie Leidenswege der Ökonomie, Josef Nussbaumer hat hier akribisch alle Fakten zum Zustand der Welt zusammengetragen. Wir haben uns wahnsinnig entwickelt...

Einen kühlen Hauch einer Ahnung, dass etwas nicht stimmt mit uns, den kann jeder in sich spüren...

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen